Haftstrafe für algerisch-französischen Autor Boualem Sansal bestätigt
Der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller wurde von einem Berufungsgericht in Algerien zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Frankreichs Regierung äußert „Bedauern“. Autorenvereinigungen sprechen von einem „Skandal“.
Vor dem Hintergrund anhaltender diplomatischer Spannungen zwischen Frankreich und Algerien hat ein algerisches Gericht die Verurteilung des französisch-algerischen Schriftstellers Boualem Sansal zu fünf Jahren Gefängnis bestätigt. Das Berufungsgericht hielt die Verurteilung des 80-Jährigen wegen „Gefährdung der nationalen Einheit“ mit seiner Entscheidung am Dienstag aufrecht.
Ausgangspunkt des Verfahrens gegen den vielfach ausgezeichneten Autor waren Äußerungen Sansals in einem Interview mit dem französischen Medienunternehmen Frontières im Oktober 2024. Sansal sprach unter anderm darüber, dass Algerien unter der französischen Kolonialherrschaft Gebiete erhalten habe, die ursprünglich zu Marokko gehörten.
Sowohl der Schriftsteller als auch die Staatsanwaltschaft hatten gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt. Die Staatsanwaltschaft forderte erneut zehn Jahre Haft. Sansal berief sich vor Gericht auf die Meinungfreiheit. Wie schon im ersten Prozess musste er sich auch in der Berufungsverhandlung selbst verteidigen. Seinem französischen Rechtsbeistand wurde die Einreise in Algerien verwehrt.
Internationale Kritik
Die französische Regierung äußerte ihr „Bedauern“ über die Verurteilung und nannte sie „unverständlich und ungerecht“. „Frankreich fordert die algerischen Behörden auf, einen Akt der Gnade zu zeigen und eine schnelle, menschenwürdige Lösung zu finden“, erklärte das Außenministerium in Paris.
Auch Sansals Angehörige dringen darauf, dass der algerische Präsident Abdelmadjid Tebboune ihn begnadigt. Dies könnte am algerischen Unabhängigkeitstag am Samstag geschehen. Sansal ist an Krebs erkrankt.
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Thea Dorn, Sprecherin der AutorInnen-Vereinigung PEN Berlin, nannte das Urteil einen „politischen Skandal“. „Wer so mit kritischen Stimmen umgeht, hat kein Interesse an Rechtsstaatlichkeit“, unterstrich Dorn.
Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des deutschen Buchhandels-Börsenvereins, nannte das Urteil einen „inakzeptablen Angriff auf die Meinungsfreiheit und Menschenrechte.“ Boualem Sansal wurde 2011 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.
Sieben Jahre Haft für einen Sportreporter
Erst am Sonntag hatte ein algerisches Gericht einen französischen Journalisten wegen „Verherrlichung von Terrorismus“ zu sieben Jahren Haft verurteilt. Der Fußballreporter Christophe hatte für eine Reportage Kontakt zu einem Fußballfunktionär, der zugleich ein führendes Mitglied der Bewegung für die Selbstbestimmung der Kabylei ist. Diese ist in Algerien als Terrororganisation eingestuft.
Das Verhältnis zwischen Frankreich und der ehemaligen Kolonie Algerien ist durch mehrere Konflikte belastet. Zu den Dauerstreitpunkten zählt das häufige Scheitern von Abschiebungen nach Algerien, weil die algerischen Behörden ihren Staatsbürgern nicht die nötigen Papiere ausstellen.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte die algerische Regierung im vergangenen Jahr zudem verärgert, indem er überraschend einen marokkanischen Autonomieplan für die Westsahara unterstützte.
Seitdem befinden sich beide Länder in einer diplomatischen Krise, die von Diplomaten-Ausweisungen auf beiden Seiten und Einschränkungen für Inhaber diplomatischer Visa geprägt ist.
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