Russland unter Verdacht

Lauschangriff auf Kaiserenkel? Journalist berichtet von Wanze in Karl Habsburgs Auto

Karl Habsburg ist Enkel des letzten österreichischen Kaisers und war EU-Abgeordneter. Aktuell betreibt er u.a. Medien in osteuropäischen Ländern.
© APA/Kerschbaummayr

Mutmaßlich waren russische Spione am Werk. Christo Grozev beruft sich bei Vorwürfen auf Chats des flüchtigen Wirecard-Vorstands Jan Marsalek.

Karl Habsburg dürfte nach Recherchen des Investigativjournalisten Christo Grozev von einem Spionagering im Auftrag Russlands ausspioniert worden sein. Darauf würden Chatverläufe zwischen dem flüchtigen Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek und dem bulgarischen Verbindungsmann Orlin Roussev deuten, die von britischen Behörden ausgewertet wurden, schreibt Grozev im Newsletter des Onlinemedienprojekts "Jetzt".

Wanze im Sportwagen bei Reparatur entdeckt

2021 sei bei einer Reparatur eine fingerkuppengroße Spionage-Wanze im Mercedes-Sportwagen des Kaiser-Enkels und Ex-EU-Abgeordneten Habsburg entdeckt worden, schreibt der bulgarische Investigativjournalist. Grozev war selbst im Visier des Kremls und hatte 2023 seine Wahlheimat Wien verlassen, weil er sich hier nicht mehr sicher fühlte. "Heute wissen wir: Das kleine Abhörgerät wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit von jenem Agentennetzwerk angebracht, das auch mich ausspionierte", so Grozev.

Recherchen über russische Attentate brachten den bulgarischen Investigativjournalist Christo Grozev ins Visier Moskaus.
© Concordia/Zojer

"Wann und wie genau die Wanze in Karls Mercedes installiert wurde, wissen wir nicht. Der Zeitpunkt der Chatnachrichten lässt aber vermuten, dass das Abhörgerät rund eineinhalb Monate im Auto gewesen sein muss, bevor es bei der Reparatur entdeckt wurde. Auch ob die Spione die Wanze in Karls Auto anbrachten, weil sie es für meines hielten, ist nicht klar. Vielleicht wollten sie auch Karl persönlich überwachen, weil er mir nahesteht. Karl hatte allerdings zu keinem Zeitpunkt etwas mit meinen Russland-Recherchen zu tun", schreibt Grozev.

Staatsschutz informiert

Er habe erst kürzlich den Kaiserenkel über die in den Chatverläufen erwähnte Wanze informiert, dieser habe sich daraufhin an die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) gewandt, die nun ermittle. "Auch, wenn die Episode rund um die Wanze in Karls Auto letztlich nur ein Nebenschauplatz in der gesamten Spionageaktivität ist - sie ist doch ein eindrückliches Beispiel dafür, wie weit russische Geheimdienste gehen", so der Investigativjournalist. Seinen Recherchen zufolge hält sich Marsalek in Moskau auf, wo er seither unter dem Schutz des russischen Geheimdienst FSB stehe.

Grozev erlangte internationale Berühmtheit, als er nach dem Giftanschlag auf den russischen Oppositionsführer Alexej Nawalny die Attentäter aufspürte. Außerdem war er an bedeutenden „Bellingcat“-Recherchen beteiligt, durch die unter anderem die drei Angeklagten für den Giftmordanschlag gegen den Ex-Agenten Sergej Skripal und dessen Tochter 2018 in Südengland identifiziert wurden. „Bellingcat“ untersuchte auch den Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 über der Ostukraine.

Aktuell ist Grozev als Autor des im Aufbau befindlichen österreichischen Online-Mediums „Jetzt“ angekündigt. (APA)