Elektroschocks und Exorzismus: EU will gegen Therapien zur „Umpolung“ vorgehen
Die EU stellte eine Strategie zur Bekämpfung der Diskriminierung von LGBTQ-Menschen vor. Neben der „Konversionstherapie“ soll auch Hassrede stärker bekämpft werden.
Brüssel – Die EU will künftig gegen sogenannte „Konversionstherapien“ zur Änderung der sexuellen Orientierung von Homosexuellen vorgehen. Die Kommission werde die Mitgliedstaaten beim Verbot dieser Praktiken unterstützen, erklärte die Behörde am Mittwoch. Die EU könne selbst kein Verbot aussprechen, denn das würde „in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten eingreifen“, sagte Gleichstellungskommissarin Hadja Lahbib.
Lahbib stellte in Straßburg eine Strategie zur Bekämpfung der Diskriminierung von LGBTQ-Menschen vor. Neben der „Konversionstherapie“ geht es darin auch darum, Hassrede zu bekämpfen. Die Kommission werde eine Wissensplattform einrichten, um Informationen über illegale Hassrede im Internet zu sammeln, hieß es. Zudem soll ein Aktionsplan gegen Cybermobbing zum Schutz Minderjähriger, insbesondere LGBTQ-Menschen, verabschiedet werden.
Keine wissenschaftliche Basis
Sogenannte Konversionstherapien haben das Ziel, die sexuelle Orientierung der „Patienten“ gezielt zu ändern. Dabei kommen verschiedene Methoden wie Elektroschocks, die Einnahme von Hormonen oder exorzistische Riten zum Einsatz. Diese Methoden haben keinerlei wissenschaftliche Basis.
Lahbib warnte, die Praktiken würden häufig als „psychologische Unterstützung“ getarnt. Die Vereinten Nationen haben ein weltweites Verbot von „Konversionstherapien“ gefordert. Auch Lahbib forderte, alle 27 EU-Länder müssten diese Praktiken verbieten.
Die SPÖ-EU-Abgeordnete Elisabeth Grossmann begrüßte den Vorstoß der EU-Kommission: „Konversionstherapien sind nichts anderes als psychische und physische Gewalt. Sie beruhen auf der gefährlichen Vorstellung, dass LGBTIQ-Personen ,geheilt‘ werden müssten. Diese Idee ist wissenschaftlich widerlegt und zutiefst menschenverachtend. Solche Praktiken verursachen schweres Leid und haben in einer offenen und freien Gesellschaft keinen Platz. Ein EU-weites Verbot ist längst überfällig, um die Menschenwürde zu schützen und klare Grenzen gegen Hass und Diskriminierung zu setzen.“
„Die neue Strategie ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, droht aber ein Papiertiger zu bleiben, solange die EU noch weiter dabei zusieht, wie Viktor Orbán in Ungarn Menschenrechte mit Füßen tritt“, kommentierte David Stögmüller, Sprecher für LGBTIQ+ der Grünen. Auch Lena Schilling, Grünen-Mitglied des Europäischen Parlaments, kritisierte: „Wir haben es letzte Woche bei der Pride im ungarischen Pécs gesehen, die trotz eines Verbots durch die ungarische Regierung stattfand.“
Positiv hervorzuheben sei, dass der Schutz vor „Konversionsmaßnahmen“, also „Umpolungspraktiken“, vorangetrieben werden solle. "Diese unseriösen, gewalttätigen Versuche, die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität der Betroffenen zu ändern, sind menschenverachtend", sagte Stögmüller.
„Wir stehen fest hinter dem klaren Kurs der EU-Kommission. Konversionstherapien sind Missbrauch unter dem Deckmantel von Therapie. Sie demütigen, sie erzeugen Angst, Scham und Verzweiflung. Zurück bleiben Depressionen, Selbsthass und im Extrem Selbstmordversuche. Für uns ist klar: Liebe lässt sich nicht in krank oder gesund einsortieren. Sie zeigt sich in vielen Formen, Farben und Facetten. Liebe ist unumpolbar", erklärte NEOS-Europaabgeordnete Anna Stürgkh. Wie sie ergänzte, haben sich deshalb „NEOS, ÖVP und SPÖ auch im Regierungsprogramm zu einem Verbot von Konversionstherapien bekannt.“
In Österreich sieht das Regierungsprogramm von ÖVP, SPÖ und NEOS ein Verbot von Konversionstherapien aufgrund der sexuellen Orientierung vor. Ein konkretes Gesetz liegt noch nicht vor. (APA/AFP, TT.com)
Was bedeutet LGBTQ?
- L ... Lesbian/lesbisch)
- G ... Gay/schwul
- B ... Bisexuell
- T ... Transgender
- Q ... Queer

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