Sanieren, Aufstocken, Weiterdenken
Stadthausverwandlung in Innsbruck: Ein traditionsreiches Wohnhaus wird zum Vorzeigeprojekt für nachhaltige Stadterneuerung.
Von Caterina Molzer-Sauper
Im Innsbrucker Stadtteil Wilten entsteht derzeit ein außergewöhnliches Bauvorhaben, das Altes bewahrt und Neues wagt. Ein historisches Mehrfamilienhaus wird umfassend saniert und zugleich um zwei zusätzliche Geschosse erweitert. Über dem Bestand entstehen vier moderne Wohnungen in nachhaltiger Holzbauweise – darunter zwei großzügige Maisonetten. Das Projekt verbindet Ortsbildschutz, innovative Technik und ökologische Baustoffe und zeigt, wie Stadterneuerung im 21. Jahrhundert aussehen kann: behutsam, ressourcenschonend und zukunftsorientiert.
Bauen im bewohnten Zustand – eine Herausforderung
Die Sanierung erfolgt unter besonderen Bedingungen: Die acht Bestandswohnungen bleiben während der Bauzeit bewohnt. Für alle Beteiligten – Bewohner, Bauherren, Planer und Handwerker – bedeutet das ein hohes Maß an Koordination und Rücksichtnahme. Gleichzeitig galt es, die strengen Auflagen des Ortsbildschutzes zu erfüllen. Dieser wurde frühzeitig in die Planung eingebunden, sodass ein sensibler Entwurf entstehen konnte, der sich harmonisch in die gewachsene Struktur des Stadtteils einfügt.
Für die Entwurfs- und Einreichplanung zeichnet das beaufort Architektenteam verantwortlich, die Aufstockung in Holzbauweise wird nach den Vorgaben der Gesamtprojektleitung von Glatzl Holzbauprojekte umgesetzt. Ziel ist es, die Lebensdauer des Hauses um viele Jahrzehnte zu verlängern und dabei konsequent auf eine ökologische Bauweise zu setzen.
Vier neue Wohnungen mit besonderem Raumklima
Das Gebäude wird um ein zweigeschossiges Dachgeschoss erweitert. Dort entstehen vier neue Wohnungen, davon zwei als großzügige Maisonetten über zwei Ebenen. Alle Wohneinheiten werden in Holz errichtet und erhalten lehmverputzte Innenwände. Diese Bauweise bietet gleich mehrere Vorteile: Holz sorgt für Behaglichkeit und eine warme Atmosphäre, während Lehm als Naturmaterial das Raumklima auf einzigartige Weise reguliert.
Die Holzdecken und das Dach werden zusätzlich als aktive Kühldecken genutzt. Gerade im städtischen Kontext, wo Hitzeperioden zunehmend spürbar sind, ist das ein innovativer Beitrag zum sommerlichen Wärmeschutz. Der Lehm wiederum wirkt als Luftfeuchtigkeits- und Wärmepuffer, kann Schadstoffe und Gerüche absorbieren und neutralisieren – ganz ohne chemische Zusatzstoffe. Damit entsteht Wohnraum, der nicht nur modern, sondern auch gesund und nachhaltig ist.
Eingriffe am Bestand und funktionale Verbesserungen
Doch das Projekt beschränkt sich nicht auf die Aufstockung: Auch der Bestand wird umfassend modernisiert. So wurde etwa eine Erdgeschosswohnung neu organisiert und erhielt einen offenen Wohn-Kochbereich sowie einen direkten Gartenzugang über eine neue Treppe.
Im Hof entsteht ein zusätzlicher Kellerzubau, der allen Bewohnerinnen zur Verfügung steht. Ebenso wird ein außenliegender, begrünter Aufzugsschacht errichtet, der Keller, Bestandswohnungen und Dachgeschoss barrierefrei verbindet. Die Tragkonstruktion in Holz-Stahl-Kombination sorgt nicht nur für Funktionalität, sondern fügt sich auch optisch ansprechend in das Ensemble ein.
Die oberste Geschossdecke wurde zunächst mit einem Holz-Beton-Verbundsystem verstärkt und abgedichtet. Erst danach konnte das alte Dach abgetragen und Platz für die neuen Baukörper geschaffen werden. Die neuen Giebelwände entstehen in Betonbauweise – eine Notwendigkeit, um statische Anforderungen und Brandschutzauflagen zu erfüllen.
Nachhaltige Haustechnik – Energie aus Grundwasser
Ein weiterer Kernpunkt des Projekts ist die innovative Haustechnik. Anstelle einer Gasheizung wird künftig das gesamte Gebäude über zwei Grundwasser-Wärmepumpen versorgt. Sie übernehmen die komplette Heiz- und Warmwasserversorgung sowie die Kühlung über die Decken. Mit Vorlauftemperaturen bis zu 62 Grad lassen sich auch höhere Anforderungen für den Bestand abdecken.
Zur exakten Planung wurde das Gebäude vorab mit einem 3D-Scan vermessen. Diese Methode ermöglicht eine präzise Vorausplanung, erleichtert die Vorfertigung und beschleunigt die Montage auf der Baustelle erheblich – ein entscheidender Vorteil, da die Bewohnerinnen während der gesamten Bauzeit im Haus bleiben.
Auch bei der Dämmung setzt das Projekt auf ökologische Materialien: Die gesamte Gebäudehülle wird mit Zellulose gedämmt, die Fassade erhält eine Steinwolle-Dämmung mit Putzoberfläche. Im Innenausbau dominieren regionale Materialien – viel unbehandeltes Eichenholz, natürliche Oberflächen, keinerlei belastende Zusatzstoffe. Ein besonderes Detail stellt der geplante Swimmingpool im Garten dar. Statt klassischer Technik mit Chlor wird ein biologisches Filtersystem eingesetzt. Es benötigt deutlich weniger Energie und Wasser, verzichtet auf giftige Zusätze und schont so Umwelt und Gesundheit. Damit wird selbst im Freizeitbereich auf Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung geachtet.
Ein Vorzeigeprojekt für nachhaltige Stadterneuerung
„Dieses Projekt steht exemplarisch für eine neue Generation des Bauens: behutsam, ökologisch, integrativ. Ein Vorzeigeobjekt in Sachen Stadterneuerung und Baukultur“, betonen die Projektverantwortlichen.
Die Stadthausverwandlung in Innsbruck zeigt eindrucksvoll, wie Bestandsgebäude ressourcenschonend erneuert und zugleich sinnvoll erweitert werden können. Statt Abriss und Neubau wird hier auf Weiternutzen, Sanieren und Aufstocken gesetzt – eine Bauweise, die sowohl ökologisch als auch sozial überzeugt.
Im Herzen von Wilten wächst damit ein Projekt heran, das beispielhaft zeigt, wie sich Tradition und Zukunft verbinden lassen. Es schafft neuen Wohnraum, bewahrt den Charakter des Stadtteils und setzt zugleich Maßstäbe in puncto Nachhaltigkeit, Baukultur und technischer Innovation.