Schräger Einzelfall erregt Aufsehen: Wie Walter als Waltraud die Behörden narren konnte
Die Posse um einen Geschlechtseintrag von Mann auf Frau erregt den Boulevard – und hat eine rechte Hintergrund-Agenda.
Zuerst berichtete die Krone Anfang der Woche über den Fall „Waltraud“, auch Heute und Österreich sprangen bereitwillig auf den vermeintlichen Skandal auf. Seither herrscht im Boulevard Empörung über die Geschichte eines Mannes, der kurz vor einem anstehenden Haftantritt seinen Geschlechtseintrag auf weiblich ändern ließ, um die Haft im Frauengefängnis verbüßen zu können, wie er selbst sagt. Über die Möglichkeiten von Geschlechtsänderungen – zu laxe Regeln? – wird seither wieder eifrig diskutiert.
Ein Skandal, der keiner ist
Allerdings: Der „Skandal“ ist eigentlich gar keiner. Denn erstens prüfen mehrere Behörden derzeit mögliche strafrechtliche Konsequenzen. Zweitens sind gesetzliche Änderungen aus Sicht der Regierung und eines Rechtsexperten nicht nötig, denn die derzeitigen Vorgaben würden die willkürliche Änderung des Geschlechts ohnehin ausschließen. Eine gesetzliche Klarstellung fordert hingegen die FPÖ – und befeuert damit das Thema, das ihrer eigenen Klientel ganz gut ins Weltbild passt. Frei nach dem Motto: So woke ist Österreich mittlerweile!
Was bis dato passiert ist: Walter P., ehemaliger Stundenhotel-Betreiber mit guten Kontakten ins rechtsextreme Milieu, hat kurz vor dem Antritt einer dreimonatigen Haftstrafe seinen Geschlechtseintrag ändern lassen. Ziel der Aktion war laut Walter P., der seitdem als Waltraud P. auftritt, die Haft im Frauengefängnis zu verbüßen. Die Änderung erfolgte nach Vorlage eines psychiatrischen Gutachtens. Kurz nach der Änderung erhielt Waltraud P. nach eigenen Angaben ein Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt (PVA), in dem ihr ein früherer Pensionsantritt mit 61 Jahren statt wie zuvor mit 65 Jahren als Mann in Aussicht gestellt wurde – ein gefundenes Fressen für den Boulevard und rechte Kreise, auch weil es das Vertrauen in den Staat und seine Institutionen untergräbt.
Ein schräger Einzelfall
Seither wird von mehreren Seiten versucht, die Debatte einzufangen und den wahrlich schrägen Einzelfall „Waltraud“ einzuordnen. Helmut Graupner etwa, Rechtsanwalt und Präsident des Rechtskomitees Lambda, gilt als führender Verfechter von LGBTIQ*-Rechten auf europäischer Ebene. Er sieht in den laufenden Ermittlungen den Beleg dafür, dass der österreichische Rechtsstaat über wirksame Kontrollmechanismen verfügt: „Der Geschlechtseintrag im Personenstandsregister beurkundet das rechtliche Geschlecht, legt es aber nicht fest“, sagt er.
Die Unrichtigkeit könne bewiesen werden und müsse von Behörden und dem Gericht festgestellt werden. Denn das rechtliche Geschlecht begründe sich auf dem „tatsächlich sozial gelebten Geschlecht“, so der Anwalt gegenüber der APA. Und Waltraud P. lebe offenbar das weibliche Geschlecht nicht. Somit müsse überprüft werden, ob der begutachtende Psychiater fahrlässig oder vorsätzlich das Gutachten ausgestellt und sich damit ebenfalls strafbar gemacht habe.
Mehrfacher Betrugsverdacht
Genau darauf verwies am Donnerstag das Innenministerium. In Österreich sei es nicht möglich, „wahllos sein Geschlecht zu ändern“. Das Ministerium hat den Magistrat der Stadt Wien beauftragt, das psychiatrische Gutachten zu überprüfen. Und das Bundeskriminalamt hat Ermittlungen wegen des Verdachts des Sozialleistungsbetrugs eingeleitet.
In Österreich ist für eine Änderung des Geschlechtseintrags eine Stellungnahme eines Psychiaters oder einer Psychologin erforderlich. Diese Fachperson muss bestätigen, dass ein „Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht besteht und dieses aller Voraussicht nach weitgehend irreversibel ist“ sowie, dass „eine deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts zum Ausdruck kommt.“ Eine geschlechtsangleichende Operation ist laut Verwaltungsgerichtshof (VwGH) seit 2009 keine Voraussetzung. In Deutschland ist die Gesetzeslage eine andere. Doch auch dort gibt es einen ähnlichen Fall, der die Behörden beschäftigt. (APA, car)