Mit digitaler Kompetenz zu mehr Menschlichkeit
Technologien und Künstliche Intelligenz sind auch in der Pflege angekommen. Im Idealfall erleichtert digitale Unterstützung Arbeitsabläufe, schafft mehr Selbstständigkeit für Betroffene und Angehörige – und mehr Platz für Zwischenmenschliches.
Smartphones, Smartwatches, Tablets und Apps: Digitalisierung hat längst Einzug in den Alltag und die meisten Bereiche des Lebens genommen – das gilt auch für die Pflege. Ob bzw. welche Technologien im Pflegebereich eingesetzt werden, wird vorab sorgfältig abgewogen. Ist die Anwendung praktikabel? Macht sie Arbeitsabläufe effizienter? Wie einfach ist sie zu bedienen? Welchen Nutzen haben Patient:innen, Pflegende und Angehörige? „Im Mittelpunkt stehen immer die Menschen. Im Idealfall kann Technologie so unterstützen, dass mehr Zeit für Zwischenmenschliches bleibt“, gibt Jenny Arndt, Pflegeinformatikerin in den tirol kliniken und dort auch Teil des Pflegemanagements, als Prämisse aus. Jenny Arndt bringt nicht nur die notwendige Theorie mit, sie war auch selbst in der Pflege tätig. Eine wichtige Voraussetzung, wie sie auch selbst findet: „Das wichtigste Feedback kommt immer von jenen, die mit der neuen Technologie oder dem neuen Gerät Tag für Tag arbeiten. Sie wissen genau, was es braucht, was funktioniert und was fehlt.“
Schneller und einfacher dank KI
In vielen Bereichen haben Pflegende bereits jetzt digitale Unterstützung in ihrem herausfordernden Arbeitsalltag. In Form der elektronischen Patient:innendokumentation, mit der alle relevanten Daten jederzeit abrufbar sind, zum Beispiel. „Hier wird durch Pflegeexpert:innen bereits mit Spracherkennung gearbeitet, was zu weniger Schreibaufwand führt. Künftig ist Künstliche Intelligenz denkbar und aktuell in Evaluierung, was das Suchen nach spezifischen Infos – welche Medikamente die Patient:innen einnehmen etwa – noch schneller und einfacher machen wird“, erklärt Arndt. Zum Einsatz kommen auch sensorische Matten, die vor dem Bett von sturzgefährdeten Patient:innen liegen. Stehen die Patient:innen auf, aktivieren sie dabei die Sensoren auf der Matte und das Pflege-Personal oder Angehörige wiederum erhalten eine Benachrichtigung über ein dazugehöriges Gerät (z. B. Smartphone).
„Wenn Abläufe einfacher und schneller werden, bleibt mehr Raum für Kommunikation, Empathie und Zuneigung.“
Jenny Arndt, BA, MA
Pflegeinformatikerin, Pflegemanagement, tirol kliniken
Für mehr Eigenständigkeit
Der Einsatz von Technologien kann aber nicht nur den Arbeitsalltag erleichtern, er kann auch für mehr Selbstbestimmung für Betroffene und ihre Angehörigen bedeuten. Sensorische Uhren haben Vitalwerte wie Puls, Blutzucker oder Sauerstoffsättigung im Blick. Bei kognitiven Beeinträchtigungen können Bereiche definiert werden, verlassen Betroffene diese, senden die Uhren ein Signal. Apps und digitale Planer unterstützen bei der täglichen Medikamenteneinnahme und der Dokumentation von Symptomen. Noch nicht so alltäglich, aber auch Roboter spielen eine wichtige Rolle in der Pflege – vor allem emotional. Roboter, die Haustieren wie Hunden oder Katzen nachempfunden sind, reagieren und interagieren mit Betroffenen. Sie spenden Freude und Trost und haben auch, wie Studien zeigen, eine nachweislich beruhigende Wirkung. Dies ist sehr hilfreich und aus ethischer Sicht gut diskutiert.
Ein wichtiger Anwendungsbereich für alle Seiten ist die Kommunikation. Über sogenannte Patient:innen-Monitore können sie selbst melden, dass sie Schmerzen haben oder Durst, aufstehen wollen oder auf die Toilette müssen. Pflegende erhalten diese Nachricht und können sofort reagieren. „Wir können aber auch digital mit Mitarbeitenden kommunizieren. Das erleichtert die Abstimmung im Team; wenn jemand kurzfristig ausfällt, können Mitarbeiter:innen aus Flexipools einspringen“, berichtet Jenny Arndt aus dem Klinikalltag. In der Ausbildung ist die digitale Kompetenz längst fixer Bestandteil. Darüber hinaus bieten die tirol kliniken laufende neue Weiterbildungsmodule für das bestehende Personal an.
In der nahen Zukunft sieht Jenny Arndt Tele-Nursing und Tele-Health, also Technologien mit Fernüberwachung und Videoanruf-Funktion, immer mehr im Kommen. Wer zuhause gepflegt wird oder alleine wohnt, kann so jederzeit auf Beratung zurückgreifen und umgekehrt können Patient:innen auch auf die Distanz in engem Kontakt bleiben. Zunehmend werden Pflege-Personal und pflegende Angehörige durch Roboter auch körperlich entlastet werden können. Die Prognosen stimmen Arndt zuversichtlich. Aus einem sehr menschlichen Grund: „Wenn Arbeitsabläufe einfacher und schneller werden, davon bin ich überzeugt, bleibt mehr Raum für Kommunikation, Empathie und Zuneigung.“