Die Waffen schweigen, ein Plan für die Zukunft fehlt: Nebel der Ungewissheit über Gaza
Nach dem Jubel über die Freilassung aller noch lebenden Geiseln geht es nun darum, nicht vom Weg in Richtung nachhaltigen Friedens abzukommen. Doch die Hürden sind hoch. Die Zukunft Gazas bleibt vage.
Gaza – Der Montag wurde als Beginn einer neuen Ära im Nahen Osten gefeiert, als Tag des vielleicht größten Friedens seit Ende des Zweiten Weltkriegs – oder, nach Worten von US-Präsident Donald Trump, vielleicht sogar seit „3000 Jahren“. Trump ließ sich bei seinem Auftritt in Israels Parlament feiern. Und in Ägypten versammelte er rund 30 Staats- und Regierungschefs um sich, um zu zeigen, dass die Welt – auch die arabischen und muslimischen Staaten – hinter seinem Plan steht. Auch Trumps demokratische Vorgänger Joe Biden und Bill Clinton, sonst scharfe Kritiker des Republikaners, lobten ihn.
Doch auch mit den Superlativen, die Trump während seines Kurzbesuchs in Israel und Ägypten nannte, werden die Streitpunkte im Gaza-Konflikt nicht einfach verschwinden. Am Tag nach dem Jubel über die Heimkehr der noch lebenden Geiseln und nach den Feierlichkeiten in Ägypten zum verkündeten Kriegsende kehrt wieder Ernüchterung ein.
Zwar ist es Trump durch persönlichen Druck gelungen, Israel und die islamistische Palästinenserorganisation Hamas für die erste Phase seines Friedensplans zu gewinnen. Das heißt: Es gilt eine Waffenruhe, die letzten Geiseln sind frei und auch die Toten sollen übergeben werden, Israels Truppen haben sich im Gazastreifen etwas zurückgezogen. Doch der Weg zu einem nachhaltigen Frieden bleibt steinig, es gibt zahlreiche offene Fragen.
📍 Wie geht es nun im Gazastreifen weiter?
Nach dem Jubel stehen jetzt erneut schwierige Verhandlungen bevor, deren Ausgang völlig offen ist. Laut Trumps 20-Punkte-Plan müsste in einer nächsten, zweiten Phase eine Technokraten-Regierung für den Wiederaufbau des Gazastreifens gebildet werden. Die Hamas würde daran dem Plan zufolge nicht beteiligt, sondern entwaffnet. Die Übergangsregierung soll von einem internationalen Übergangsgremium, dem „Board of Peace“, beaufsichtigt und überwacht werden, dessen Vorsitz Trump übernehmen will. Eine internationale Friedenstruppe (ISF) würde in Gaza für Sicherheit sorgen.
Über all das wird aber lange verhandelt werden müssen. Die Hamas demonstriert weiterhin ihre Macht, will diese in Gaza wieder festigen und lehnt auch eine Abgabe ihrer Waffen bisher ab. Die US-Regierung hat der islamistischen Terrororganisation laut Trumps Worten sogar die Genehmigung erteilt, sich für eine begrenzte Zeit neu zu bewaffnen, um im Gazastreifen für Sicherheit zu sorgen. Bei der ISF ist offen, welche Länder hierfür Soldaten entsenden könnten und ob diese dafür ein UNO-Mandat erhalten sollen.
Es wird anhaltenden Druck Trumps brauchen, um den Weg in Richtung Frieden weiterzugehen. Die Hamas spricht Israel das Existenzrecht ab. Auf der anderen Seite wollen Israels Premier Benjamin Netanjahu und seine rechtsextremen Regierungspartner die Hamas restlos zerschlagen. Zudem lehnen sie die Bildung eines Palästinenserstaats kategorisch ab.
📍 Welche Rolle spielt die in Ägypten unterzeichnete Erklärung?
Nach Trumps Worten legt das „sehr umfassende“ Dokument „eine ganze Reihe von Regeln und Bestimmungen“ im Gaza-Konflikt fest. Es soll nach Worten von Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi die geltende Waffenruhe festigen. In dem Dokument heißt es: „Gemeinsam werden wir diese Vereinbarung so umsetzen, dass Frieden, Sicherheit, Stabilität und Chancen für alle Völker der Region, einschließlich der Palästinenser und Israelis, gewährleistet sind.“ Mit welchen konkreten Maßnahmen dies gelingen soll, wird nicht erläutert. Israel und die Hamas waren beim Gipfel in Ägypten gar nicht vertreten.
📍 Jordanien fordert Palästinenserstaat als Ziel
Ohne einen Friedensprozess hin zu einem Palästinenserstaat ist der Nahe Osten nach Einschätzung von Jordaniens König Abdullah II. zum Untergang verdammt. „Wenn wir dieses Problem nicht lösen, wenn wir keine Zukunft finden für Israelis und Palästinenser und eine Beziehung zwischen der arabischen und muslimischen Welt und Israel, sind wir dem Untergang geweiht“, sagte der Monarch dem britischen Sender BBC. Werde diese Frage nicht gelöst, gehe der Konflikt wieder von vorn los. Von einem Palästinenserstaat, den zuletzt immer mehr Länder anerkannt haben, ist in der Erklärung von Scharm El-Scheich keine Rede. (dpa, APA, TT)