Schauspielerin Andrea Sawatzki: „Mit zwölf wollte ich meinen Vater umbringen“
„Tatort“-Star Andrea Sawatzki spricht über ihre schwierige Kindheit, ihre Zuflucht im Alkohol und darüber, wie sie endlich ihren Frieden fand.
Berlin – In einem bewegenden Interview mit der Zeit sprach die Schauspielerin Andrea Sawatzki (62) offen über ihre traumatische Kindheit.
Als Achtjährige begann sie, sich um ihren Vater zu kümmern, der durch eine Alzheimer-Erkrankung immer öfter gewalttätig wurde. „Da war irgendwann nur noch Angst und Widerwille. Und auch Hass“, erzählte Sawatzki. Er habe sich zum Beispiel nach einem Streit auf sie gesetzt, sie festgehalten und immer wieder ins Gesicht geschlagen, bis sein Ehering eine blutende Wunde an der Augenbraue hinterließ. Ihre Mutter schwieg und versuchte zu funktionieren. Sie sei eine Kämpferin gewesen, die „nie wirklich frei“ gewesen sei – ein „Engel mit gestutzten Flügeln.“
Froh um Tod des Vaters
Als ihr Vater starb, empfand Sawatzki Glücksgefühle statt Trauer: „Wenn das Hass war, was ich empfand, dann habe ich meinen Vater unermesslich gehasst. Ohne die Krankheit hätte ich ihn sicher genauso sehr lieben können.“
Ein Jahr später verließ sie mit 16 Jahren ihr Elternhaus, wohnte bei einer Freundin und brach kurzzeitig die Schule ab. Selbst eine Familie zu gründen, konnte sie sich nicht vorstellen: „Ich hatte das Gefühl, dass ich nicht lieben kann“, sagte sie. Sie habe angenommen, „nicht der richtige Mensch für eine Familie“ zu sein. „Ich wollte meine ungeborenen Kinder vor einer Mutter wie mir bewahren.“
Familie rettete ihr Leben
Ende der 90er lernte sie den Schauspieler Christian Berkel kennen, mit dem sie zwei Söhne bekam. Zunächst hatte sie Zweifel und fühlte sich innerlich leer. Nach Gesprächen mit ihrem Mann entschied sie, sich Hilfe zu suchen: „Für mich war es normal, dass jeder Tag dunkel ist. Jahrelang hatte ich das mit zu viel Alkohol betäubt, davon war ich immerhin bereits losgekommen. Aber ich steckte fest.“ In einer fünfjährigen Psychoanalyse konnte sie ihre Kindheit aufarbeiten.
Auch ihre Mutter habe sie dazu bringen wollen, sich Hilfe zu suchen – ohne Erfolg. Für Sawatzki wurde klar: Es würde zwischen Mutter und Tochter keine Aussprache mehr geben.
Ihre Familie sei ein wichtiger Halt: „Ohne meine Kinder wäre ich nicht imstande gewesen, mich in meine Kindheit zurückzuversetzen und die Geister der Vergangenheit hervorzuholen. Ohne meine Familie hätte ich dieses Leben nicht überlebt. Ich hätte mir niemals verziehen.“ Mittlerweile habe sie Frieden mit ihrer Kindheit geschlossen: „Ein zwölfjähriges Kind will seinen Vater umbringen. Aber es ist mir gelungen, die kleine Andrea in den Arm zu nehmen. Und ihr zu sagen: Du bist nicht so schlimm, wie du denkst.“