Vor Weltklimakonferenz

Hartes Ringen um die Klimaziele in der EU

Das Kohlekraftwerk Niederaußem in Nordrhein-Westfalen verursachte 2021 die dritthöchsten Treibhausgasemissionen aller europäischen Kraftwerke. Mittlerweile wurden einige Blöcke stillgelegt.
© AFP/Fassbender

Einigung auf das Klimaziel 2024 und den Klimaplan bis 2035 als Herkulesaufgabe. Vor dem Weltklimagipfel in Brasilien drängt die Zeit.

Brüssel – Wie viel weniger Treibhausgase sollen die EU-Länder bis 2040 ausstoßen – und wie soll das erreicht werden? Nach langem Ringen um Zahlen und mögliche Flexibilität kamen am Dienstag die Umweltminister und -ministerinnen der EU-Mitgliedsländer – unter ihnen Österreichs Minister Norbert Totschnig (ÖVP) – zusammen, um ein Klimaziel bis 2040 festzulegen und sich auf einen Klimaplan bis 2035 zu einigen. Der wird für die in wenigen Tagen beginnende Weltklimakonferenz COP30 in Brasilien gebraucht – und hätte eigentlich längst eingereicht werden müssen. Bislang konnten sich die Länder nicht formell auf ein Ziel zur Minderung von Treibhausgasen für die nächsten zehn Jahre einigen, nur auf eine Absichtserklärung mit Zielkorridor. Darin heißt es, die EU wolle ihre Emissionen bis 2035 zwischen 66,25 Prozent und 72,5 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Der Klimaplan bis 2035 muss einstimmig beschlossen werden.

Minus von 90 Prozent bis 2040

Laut EU-Klimagesetz muss die Staatengemeinschaft neben bestehenden Zielen für 2030 und 2050 auch festlegen, um wie viel Prozent die Treibhausgase bis 2040 reduziert werden sollen. Die EU-Kommission schlägt vor, die Emissionen in den nächsten 15 Jahren um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Grundlage dafür sind wissenschaftliche Erkenntnisse. Der Vorschlag benötigt noch die Zustimmung der Mehrheit der EU-Staaten und des Europaparlaments.

In mehreren Staaten regt sich jedoch Widerstand – sie verweisen auf wirtschaftliche Belastungen, Probleme der Industrie und ein angespanntes geopolitisches Umfeld. So haben im Vorfeld Tschechien und Ungarn bereits abgewinkt. Für den Beschluss ist eine qualifizierte Mehrheit nötig. Dafür müssen 15 der 27 EU-Staaten zustimmen, die zusammen mindestens 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren. Die dänische EU-Ratspräsidentschaft bastelte jedenfalls an einem Kompromiss. Dänemarks Umweltminister Lars Aagaard mahnte: Europa als Kontinent erwärmt sich stärker als andere Erdteile, „wir können alle die Konsequenzen spüren“.

Zuletzt zeichnete sich beim EU-Gipfel Ende Oktober doch noch eine Einigung auf das Klimaziel für 2040 ab. Im Gegenzug werden die Maßnahmen zur Zielerreichung aber wohl weniger streng ausfallen als ursprünglich erwartet. So ist etwa an eine Aufweichung des Emissionshandels gedacht, auch das für 2035 anvisierte „Verbrenner-Aus“ wird neu diskutiert. Überhaupt soll in das Klimaziel 2040 eine „Revisionsklausel“ eingebaut werden. Für die Wissenschaft stellt eine Absenkung der CO₂-Emissionen um 90 Prozent bis 2040 das absolute Minimum dar.

Totschnig wollte dem EU-Klimaziel nur dann zustimmen, „wenn die Rahmenbedingungen für uns passen“. Er nannte diesbezüglich eine Verlängerung der Frist für Gratis-Zertifikate im Rahmen des Emissionshandels, Flexibilität beim Carbon Management oder auch einen „verpflichtenden Netto-Null-Pfad für alle Mitgliedsländer“ als wichtige Punkte. Es gehe bei der Thematik nicht nur um das Klima, sondern auch um den Wirtschaftsstandort, die Erhaltung des Wohlstands, die Sicherung von Arbeitsplätzen und um Ernährungssicherheit. „Es gibt Nachbesserungsbedarf“, so Totschnig. (TT, dpa, APA)