Geplantes Referendum

Griechen droht Sperre der nächsten Finanzhilfen

Am Abend begann das Krisengespräch in Cannes. In der Nacht zum Mittwoch holte sich der griechische Premier die Rückendeckung seines Kabinetts für die Volksabstimmung.

Berlin/Paris/Athen – In Cannes hat am Mittwochabend das Krisentreffen der Euro-Staaten zur Lage in Griechenland begonnen. An den Gesprächen einen Tag vor Beginn des G-20-Gipfels nehmen unter anderen Frankreichs Staatschef Sarkozy, die deutsche Kanzlerin Merkel, der neue EZB-Präsident Draghi sowie IWF-Chefin Lagarde teil. Das Treffen wurde einberufen, weil Athen ein Referendum über das EU-Hilfspaket will.

Bisher drang schon durch, dass Griechenland wegen der umstrittenen Volksabstimmung eine Sperre der nächsten Kredittranche und damit die Zahlungsunfähigkeit droht. Es sei unwahrscheinlich, dass die anstehenden acht Milliarden Euro von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds vor dem geplanten Referendum überwiesen würden, sagten hochrangige Vertreter von EU und IWF am Mittwochabend noch vor dem Krisentreffen der europäischen Spitzen mit dem griechischen Ministerpräsidenten Papandreou.

Griechenland braucht Mitte Dezember wieder Geld

Nach dem umstrittenen Referendums-Coup des griechischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou drängen Deutschland und Frankreich auf einen Volksentscheid noch in diesem Jahr. Dies machten Regierungsvertreter in Berlin und Paris am Mittwoch unmittelbar vor dem kurzfristig anberaumten weiteren Krisengipfel deutlich.

Das deutsche Finanzministerium erklärte zur Auszahlung der nächsten Hilfstranche von 8 Mrd. Euro, Griechenland brauche erst Mitte Dezember wieder Geld. Zugleich betonte Ministeriumssprecher Martin Kotthaus, es sei offen, ob dieses Geld vor dem Referendum überwiesen werden könne.

Auch der Internationale Währungsfonds macht weitere Hilfen für Athen davon abhängig, dass Griechenland seine Versprechen erfüllt. Das für die Auszahlung des Kredites zuständige Direktorium „würde dem Land kein Geld geben wollen und dann abwarten, was geschieht“, hieß es im Umfeld des Gremiums. „Das Direktorium will sich sicher sein, dass Griechenland seine Zusagen einhält, und das kann Papandreou derzeit nicht versprechen.“ EU und IWF halten die Regierung in Athen seit eineinhalb Jahren finanziell über Wasser.

„Zeit darf keine verlorene sein“

Frankreichs Europaminister Jean Leonetti legte gleichfalls ein Referendum noch in diesem Jahr nahe. Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert appellierte zudem an die Verantwortung der Regierung in Athen: „Die Zeit bis zum Referendum darf weder für Griechenland noch für die Euro-Zone eine verlorene Zeit sein“, sagte er. „Das können wir uns in dieser internationalen Situation nicht leisten.“

Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger kritisierte in der Zeitung „Die Welt“, dass Papandreou den Euro „in noch größere Gefahr“ bringe. „Wenn die Griechen tatsächlich mit Nein stimmen, sind die Folgen unabsehbar.“ Schwächere Mitglieder der Euro-Zone seien „in besonderer Weise auf Klarheit und Vertrauen angewiesen“, sagte Oettinger. „Für alle Länder, die nicht die höchste Bonität haben, verschlechtert sich die Lage erheblich. Die Gefahr, weitere Rückschläge zu erleiden, steigt.“

Krisentreffen in Cannes

Für Mittwochabend wurde Papandreou von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy nach Cannes zitiert, um sich zu erklären. Merkel sagte, das mit Griechenland vereinbarte Programm müsse umgesetzt werden. „Das Notwendige wird heute mit Griechenland zu besprechen sein.“

An dem Treffen an der Mittelmeerküste sollten neben Merkel und Sarkozy auch die EU-Spitzen Jose Manuel Barroso, Herman Van Rompuy und Jean-Claude Juncker sowie die Präsidentin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, teilnehmen. Am Donnerstag beginnt in Cannes der Gipfel der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G-20).

In der Nacht zum Mittwoch holte sich der griechische Premier die Rückendeckung seines Kabinetts für die Volksabstimmung. Papandreou zeigte sich zudem sicher, die für Freitag geplante Vertrauensabstimmung im Parlament zu gewinnen, um den Weg für den Volksentscheid über das Sparpaket freizumachen.

Banken: Erst Abstimmung, dann Schuldenschnitt

Das erst vergangene Woche vereinbarte neue Rettungspaket umfasst Hilfszahlungen und Garantien der Euro-Staaten an Griechenland von insgesamt 130 Mrd. Euro. Hinzu kommt ein Forderungsverzicht der Banken von 50 Prozent, was einer Entschuldung Griechenlands um 100 Mrd. Euro entspräche.

Die deutschen Banken halten es allerdings für unwahrscheinlich, dass dieser Schuldenschnitt vor der Volksabstimmung umgesetzt werden könnte. „Wir sollten keine vollendeten Tatsachen schaffen, bevor das Referendum durch ist“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, Michael Kemmer, in Berlin.

Vertrauensabstimmung entscheidend

Übersteht Papandreou die Vertrauensabstimmung, könnte das Referendum Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres stattfinden. Allerdings verfügt seine sozialistische Partei PASOK im Parlament nur noch über 152 der insgesamt 300 Mandate. Auch in der Regierung ist Papandreous Kurs nicht unumstritten.

„Ich denke, das war die falsche Entscheidung, und wir müssen sie zurücknehmen“, sagte ein Minister, der namentlich nicht genannt werden wollte. Auch in der Bevölkerung ist die Entscheidung umstritten. „Er erpresst uns“, sagte der 50-jährige Manager Yannis Aggelou.

„Selbstmörderisch“

In den Zeitungen war der Tenor am Mittwoch ähnlich kritisch: Die regierungsfreundliche „Eleftherotypia“ nannte Papandreou auf ihrer Titelseite „Lord des Chaos“. „Ethnos“, ebenfalls eher linksorientiert, nannte das Referendum „selbstmörderisch“.

Umfragen legen den Schluss nahe, dass die meisten Griechen das Sparpaket ablehnen. Deshalb wird viel davon abhängen, wie Papandreou die Diskussion über das Referendum gestaltet. Der genaue Fahrplan ist noch unklar. Ebenso offen ist die genaue Formulierung der Frage, die die Griechen beantworten sollen. (APA/Reuters)

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