Kampf um die Doktorwürde
Doktorhut statt modischem Filzhütchen? Was für ein Anspruch! – Seit 1900 dürfen Frauen in Innsbruck Medizin studieren, die erste Professorin wurde erst 1992 berufen.
Von Elke Ruß
Innsbruck –„Die weibliche Natur und der weibliche Geist sind nicht befähigt die Ideale ärztlicher Bildung zu erreichen. Frauen sind daher auf diesem Wege nicht zu dulden ...“ – Das postulierte der Münchner Anatomieprofessor Theodor L. W. Bischoff 1872, als die ersten Frauen um Zulassung zum Medizinstudium ansuchten. Kollegen warnten vor einer „Vernichtung der materiellen Existenz“ männlicher Ärzte.
Amtsärztinnen, die die Monarchie 1895 zur Versorgung muslimischer Frauen brauchte, wurden aus dem Ausland geholt. Die Uni Innsbruck erlaubte zwar Ende 1900 Frauen das Medizinstudium. Der Haken: „Voraussetzung war die Matura, dafür gab es aber noch keine Schule“, schildert Margarethe Hochleitner, Leiterin der Koordinationsstelle für Gleichstellung, Frauenförderung und Geschlechterforschung an der Medizin-Uni.
Wilhelmina Schönthaler promovierte 1915 als erste Medizinerin in Innsbruck, studiert hatte sie in Amsterdam. Anna Dengel aus Steeg, die Gründerin der Missionsärztlichen Schwestern, brachte es 1919 in Irland zum Doktorhut. Ehrentraut Lanner war die Erste, die nach der Matura 1915 im Reform-Realgymnasium der Ursulinen ihr ganzes Studium in Tirol absolvierte. Ihre Assistentenstelle an der Hygiene war unbezahlt.
wDie Ausstellung „Sie will gar einen Doktorhut!“ zeichnet den Kampf der Frauen um den Arztberuf nach. „Man hat sich jeden einzelnen Schritt wirklich abringen lassen“, sagt Volkskundlerin Renate Erhart, die die Schau kuratiert. „Die größte Schande: Erst 1975 gab es in Tirol die erste Habilitierung – 45 Jahre nach Wien – und 1992 mit Margit Pavelka die erste Professorin“, erklärt Hochleitner. Selbst die Gynäkologie hielt Otto Dapunt als Chef über lange Jahre ärztinnenfrei.
Trotz Förderungen scheitern Ärztinnenkarrieren laut Hochleitner weiter am gesellschaftspolitischen Umfeld. „Wo kriegt sie für eine Kongressreise die Kinderbetreuung her? Beim Mann ist es selbstverständlich, dass bei Auslandsaufenthalten die Familie mitgeht.“ Dennoch: „Es ist machbar“, lautet die Botschaft der Schau. Sie zeigt auch auf, wo frau Hilfe findet.
Emanzipation findet auch in der Medizin selbst statt: Heute wird vor Medikamentenzulassungen untersucht, wie sie bei Frauen wirken. Ärzte haben auch gelernt, dass Frauen Herzinfarkte und Männer Brustkrebs und Osteoporose kriegen können.
Zum Frauentag verkündete die Medizin-Uni gestern die Berufung von Elke Ruth Gizewski auf die neu geschaffene Professur für Neuroradiologie ab 1. Mai. Gizewski leitete bisher die Abteilung für Neuroradiologie am Uni-Klinikum Gießen.