„Wunschkonzert“ zum Abschied: Streit um Wulffs Zapfenstreich
Ehrensold, Büro und jetzt noch ein „Großer Zapfenstreich“: Die feierliche Verabschiedung von Deutschlands Ex-Präsident Wulff durch die Bundeswehr sorgt für Ärger in Berlin. Politiker der Opposition raten zu einer Absage. Kanzlerin Merkel ist bei der Zeremonie dabei, andere Spitzenpolitiker sind gar nicht eingeladen und auch Wulffs Vorgänger kommen nicht.
Berlin - Soldaten mit Trommeln und Fackeln werden an diesem Donnerstag noch einmal vor dem Schloss Bellevue in Berlin aufmarschieren, dem Amtssitz des deutschen Bundespräsidenten. Christian Wulff, der zurückgetretene Präsident, soll mit dem „Großen Zapfenstreich“ geehrt werden.
Das militärische Zeremoniell sorgt aber wiederum für heftigen Streit. Denn offiziell hat Wulff am 17. Februar zwar „aus politischen Gründen“ sein Amt niedergelegt. Auslöser für diesen Schritt waren jedoch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Vorteilsannahme. Zuvor schon war der erste Mann des Staates wochenlang im Mittelpunkt immer neuer Vorwürfe gestanden.
Seit seinem Rücktritt ist die Debatte um den 52-Jährigen nicht verstummt. Jetzt geht es darum, ob ihm der bereits bewilligte, lebenslange „Ehrensold“ von knapp 200.000 Euro im Jahr genauso zusteht wie allen anderen früheren Präsidenten. Gefragt wird auch, ob er ebenfalls Büro und Dienstwagen mit Chauffeur bekommen soll.
SPD: „Große Peinlichkeit“
Gerade die offizielle Ehrung mit dem uralten militärischen Zeremoniell, das auf die Befreiungskriege gegen Napoleon zurückgeht, empört viele. Die Opposition spricht von einer „großen Peinlichkeit“. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel rügte in einem Interview: „Da wird einer, der im Amt gescheitert ist, so verabschiedet, als habe er Großes für Deutschland geleistet.“
Verteidigungsminister Thomas de Maiziere hatte Wulff nach dem Rücktritt die Zeremonie vorgeschlagen. Mit dieser Ehrung werden neben den Bundespräsidenten auch Bundeskanzler, Verteidigungsminister oder hochrangige Vertreter der Streitkräfte verabschiedet. Im Verteidigungsministerium wie im Präsidialamt wird darauf verwiesen, dass Wulff in seiner Amtszeit enge Beziehungen zur Bundeswehr hatte.
Wulffs Vorgänger kommen nicht
Die Regierung begrüßte die Zeremonie, die „ganz und gar in der Tradition der Bundeswehr“ stehe. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird kommen. Auch die Minister sind geladen.
Die vier noch lebenden früheren Bundespräsidenten haben sich entschuldigt. Das ist für manche Beleg eines Boykotts, auch wenn die ehemaligen Präsidenten ihr hohes Alter oder lange vereinbarte Termine als Begründung für ihre Abwesenheit genannt haben. Andere, die ankündigten, dass sie keinesfalls kommen werden, waren gar nicht eingeladen.
„Over The Rainbow“ und „Ode an die Freude“
Zur Verabschiedung Wulffs werden am Donnerstag rund 200 Gäste bei einem Empfang im Schloss Bellevue erwartet. Der Empfang findet vor dem Großen Zapfenstreich statt. Dabei scheint es dem zurückgetretenen Bundespräsidenten nicht daran gelegen zu sein, die Feierlichkeiten schnell über die Bühne zu bringen. Im Gegenteil: Insgesamt hat er für das Zeremoniell vor dem Schloss Bellevue vier Lieder ausgesucht, die das Stabsmusikkorps der Bundeswehr spielen soll. Üblich sind drei.
So wird zunächst der „Alexandermarsch“ von Andreas Leonhardt, dann „Over The Rainbow“ von Harold Arlen, „Da berühren sich Himmel und Erde“ von Christoph Lehmann und die „Ode an die Freude“ von Ludwig van Beethoven gespielt. Zum Abschluss erklingt die Nationalhymne.
CDU verteidigt Wulff
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe wies die Kritik am Großen Zapfenstreich und den Privilegien für den ehemaligen Bundespräsidenten Wulff zurück. Gröhe sagte der „Saarbrücker Zeitung“ (Mittwoch), er warne davor, „Christian Wulff in einem laufenden Ermittlungsverfahren vorzuverurteilen und ihm das abzusprechen, was einem scheidenden Bundespräsidenten rechtlich und in bewährter Staatspraxis zusteht“.
Zugleich betonte Gröhe jedoch: „Ich habe Verständnis für manchen Unmut in der Bevölkerung.“ Kritik richtete sich in den vergangenen Tagen vor allem dagegen, dass der 52-jährige Wulff nach seiner kurzen Amtszeit einen Ehrensold von jährlich 199.000 Euro erhalten soll. Wulff war nach zwei Monaten heftiger Kritik zurückgetreten, als die Staatsanwaltschaft Hannover Ermittlungen gegen ihn wegen des Verdachts der Vorteilsannahme angekündigt hatte. Dabei geht es um Wulffs Beziehung zu dem Filmunternehmer David Groenewold während der Zeit als Ministerpräsident in Niedersachsen.
Gauck-Teilnahme unsicher
Der aussichtsreiche Kandidat für die Nachfolge Wulffs, Joachim Gauck, hat nach eigenen Worten noch nicht entschieden, ob er am Großen Zapfenstreich teilnehmen wird. „Wie ich mich auch entscheide, ich bin sicher, Herr Wulff wird es verstehen“, sagte Gauck am Dienstag. Union, SPD, FDP und Grüne haben den langjährigen Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen als gemeinsamen Kandidaten nominiert. Die Wahl des 72-jährigen früheren Pastors am 18. März in der Bundesversammlung gilt als sicher.