Karls „unanständiger Anschlag“ auf das Berufsgeheimnis
Eine „heimlich“ geplante Änderung der Strafprozessordnung mit der unter anderem das Redaktionsgeheimnis einfach ausgehebelt werden könnte, sorgt für Empörung. Rechtsanwälte sprechen von einem „versteckten Angriff auf Grundpfeiler des demokratischen Rechtsstaates“. Auch SPÖ und die Opposition rechnen mit Justizministerin Beatrix Karl ab.
Wien - „Justizministerium schleust brisante Gesetzesänderung mit Scheinbegutachtung ins Parlament.“ Mit harschen Worten erhob am Mittwoch der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) schwere Vorwürfe gegen Justizministerin Beatrix Karl. Es geht um eine Änderung der Strafprozessordnung, wodurch unter anderem das Redaktionsgeheimnis ausgehebelt werden könnte. Erst nach der Begutachtunsgsfrist soll der Gesetzesentwurf gravierend geändert worden sein. Und diese Änderungen der Strafprozessordnung besitzen laut den Rechtsanwälten „enorme gesellschaftliche Tragweite und Brisanz“.
Zusammenhang mit Telekom E-Mails?
ÖRAK-Präsident Rupert Wolff erkennt dabei einen Zusammenhang mit den vom Nachrichtenmagazin NEWS veröffentlichten Telekom E-Mails, die teilweise Licht in die Korruptionsaffären rund um illegale Parteienfinanzierung brachten und noch bringen könnten. „Wenn man sich den zeitlichen Ablauf vor Augen hält, zwischen Begutachtungsende und Ministerrat, sticht das Ereignis der Veröffentlichung der Telekom E-Mails am 15. Februar ins Auge. Unserer Meinung nach könnte das ein Anlass für die nachträgliche Änderung des Gesetzesentwurfes sein.“
Worum geht es genau
Der Gesetzesentwurf sieht unter anderem eine Neuregelung des § 112 StPO vor, der die Sicherstellung von schriftlichen Aufzeichnungen oder Datenträgern bei Berufsgruppen regelt, die die verschwiegene Behandlung ihnen überlassener Daten und Informationen zu wahren haben. Dies betrifft unter anderem Rechtsanwälte, Journalisten, Steuerberater, Notare, Ärzte oder Geistliche.
Sollte der Gesetzesentwurf vom Parlament abgesegnet werden - er wird am kommenden Dienstag im Justizausschuss diskutiert - , sei es „künftig ein Leichtes, die Verschwiegenheit eines Rechtsanwaltes oder das Redaktionsgeheimnis auszuhebeln, indem man den Betroffenen in die Position eines Beschuldigten versetzt“, warnte der ÖRAK-Präsident. Wird eine Person aus einer dieser Berufsgruppen künftig als Beschuldigter deklariert, kann er der Sicherstellung von ihm vorliegenden Aufzeichnungen oder Daten nicht mehr widersprechen. Die Sicherheitsbehörden kommen somit in den Besitz des gesamten Akten -oder Datenbestands einer Redaktion oder Anwaltskanzlei. Anstelle eines unabhängigen Richters soll künftig der Staatsanwalt selbst darüber entscheiden, welche Teile dieses Materials zum Akt genommen werden. „Von einer Wahrung der Verschwiegenheit oder des Redaktionsgeheimnisses kann keine Rede mehr sein“, so Wolff.
Bei einem Widerspruch des Betroffenen gegen die Sicherstellung waren bisher die Aufzeichnungen und Datenträger zu versiegeln und dem Gericht vorzulegen.
„Unwürdiges, undemokratischen Vorgehen“
„Bisher bestand der Grundsatz, dass bei wesentlichen Eingriffen in die Grundrechte des Bürgers nicht der Staatsanwalt, sondern der Richter zu prüfen hat, und zwar als erste Instanz. Nun wird von diesem Grundsatz ohne Vorankündigung, ohne Diskussion, ja sogar ohne Information der Öffentlichkeit abgegangen“, zeigte sich ÖRAK-Präsident Rupert Wolff erschüttert und spricht von einem unwürdigen, undemokratischen Vorgehen.
„Der nun in der Regierungsvorlage versteckte Angriff auf Grundpfeiler des demokratischen Rechtsstaates hätte in der Begutachtung verheerende Kritik erfahren, das wusste auch das Justizministerium, und ließ die betreffende Passage deshalb erst nach Ende der Begutachtung hinzufügen“, ist sich Wolff sicher.
Justizministerium weist Vorwürfe zurück
Das Justizministerium lässt die Kritik an der geplanten Änderung der Strafprozessordnung nicht gelten. „Die Debatte geht von falschen Voraussetzungen aus. Der Entwurf ist auf ganz normalem Weg begutachtet worden. Niemand hat was vorbeigeschummelt“, erklärte Sektionschef Christian Pilnacek am Mittwochmittag.
Im Lauf des Begutachtungsverfahrens habe man zahlreiche Stellungnahmen gesammelt und sich am Ende dafür entschieden, die geplanten Änderungen in einen Entwurf zu gießen. „Ein ganz normaler Vorgang. Da war auch keine Heimlichkeit dabei. Ich weiß nicht, warum man jetzt mit unsachlichen Methoden eine Skandalisierungswelle reitet“, sagte Pilnacek.
Wie Pilnacek betonte, sei weder an eine Einschränkung des Redaktionsgeheimnisses noch an einen Eingriff in die berufliche Verschwiegenheitspflicht gedacht.
„Rücktrittsreife Karl auf den Spuren Metternichs“
Doch während das Justizministerium beschwichtigt, hagelte es harsche Kritik von SPÖ, FPÖ, BZÖ und Grünen. Wie SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim betonte, waren die vom Justizministerium beabsichtigten Änderungen des § 112 StPO koalitionsintern „nicht abgestimmt“. Es sei „erstaunlich und bedenklich“, wenn die Justizministerin nach Abschluss des Begutachtungsverfahrens „in einem extrem heiklen Bereich Überarbeitungen vornehmen lässt“. Die SPÖ werde bei einer Einschränkung des Redaktionsgeheimnisses „nicht mitspielen. Dazu gibt es von unserer Seite ein glattes Nein.“
Scharfe Kritik erntete Justizministerin Beatrix Karl auch von der Opposition. „Dieser Gesetzesentwurf ist abzulehnen“, verlautete der freiheitliche Justizsprecher Peter Fichtenbauer. Der Entwurf ziele auf eine klare Aushöhlung der Schutzwirkungen der Verschwiegenheitspflicht der freien Berufe wie Rechtsanwälte, Notare und Steuerberater ab und widerspreche der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte.
Für das BZÖ wandelt die Justizministerin „auf den Spuren Metternichs“, wie Justizsprecher Gerald Grosz und Mediensprecher Stefan Petzner bekundeten. Sie interpretierten den Gesetzesentwurf als „unglaublichen Versuch, mittels Umgehung der Grundrechte direkten Einfluss auf missliebige Aufdecker zu nehmen. Zuerst hat die ÖVP versucht, mittels der Zeugenregelung an Unterlagen und Informanten von Journalisten und Oppositionsabgeordnete heranzukommen, jetzt ändert man die Strategie und will mittels einer Beschuldigtenregelung den Aufdeckern des Landes habhaft werden“. Gross und Petzner bezeichneten Karl als „endgültig rücktrittsreif“. Das BZÖ will im Nationalrat einen Misstrauensantrag gegen Karl einbringen.
Die Grünen sprachen von einer weiteren „Pleite“ Karls. Damit alle Betroffenen die Möglichkeit hätten, „ihre Bedenken anzumelden und man diese auch vernünftig diskutieren kann, müssen Änderungen, die derartig sensible Bereiche betreffen, grundsätzlich in Begutachtung gehen“.
Journalistengewerkschaft: „Gesetz würde Pressefreiheit abschaffen“
Heftiger Protest kam auch von der Journalistengewerkschaft. Deren Präsidium forderte die Regierung auf, den Entwurf unverzüglich zurückzuziehen. Justizministerin Karl habe „in einer überfallsartigen Änderung des ursprünglichen Ministerratsentwurfs und nach Ende der Begutachtungsfrist Formulierungen eingeschleust, die das Redaktionsgeheimnis und damit die Pressefreiheit abschaffen“. Man müsse nun befürchten, dass weisungsgebundene Staatsanwälte mit Hilfe der Polizei jederzeit redaktionelle Unterlagen und Daten von Redaktionscomputern beschlagnahmen können. „Damit hängt die Regierung den Bürgerinnen und Bürgern praktisch einen Maulkorb um“, gab Franz C. Bauer, der Vorsitzende der Journalistengewerkschaft zu bedenken. Informanten werde damit jeder Schutz entzogen, die Aufdeckung von Korruptionsfällen und Fehlverhalten der Regierung praktisch unmöglich gemacht.
VP-Justizsprecher über Kritik überrascht
Überrascht zeigte sich hingegen ÖVP-Justizsprecher Heribert Donnerbauer über die Kritik an der vom Justizministerium in Aussicht genommenen Strafprozessreform. „Selbstverständlich kommt für mich keine Einschränkung von Berufsgeheimnissen in Betracht“, sagte Donnerbauer. Er interpretiere die Regierungsvorlage auch nicht in diese Richtung. Es ginge „einzig um die Verbesserung des Rechtsschutzes und nicht um die Aushöhlung des Redaktionsgeheimnisses oder der Verschwiegenheitspflicht von Ärzten und Anwälten“, so Donnerbauer in einer Presseaussendung.
Sollten unklare Formulierungen „mehrdeutige und unerwünschte Interpretationen zulassen, wird der Justizausschuss des Parlaments den Änderungsbedarf diskutieren und eine der grundlegenden Zielsetzungen entsprechende eindeutige Fassung beschließen“, kündigte Donnerbauer an. (TT.com, OTS)