Keine Liebesgrüße aus Moskau
In Dennis Gansels „Die vierte Macht“ spielt Moritz Bleibtreu einen Klatschreporter, der in Moskau sein Gewissen entdeckt.
Von Peter Angerer
Innsbruck –Vor ein paar Wochen wäre Dennis Gansels Polit-Thriller „Die vierte Macht“ noch als alternative Komödie in Begleitung von Helmut Dietls so genanntem Sittenbild „Zettl“ dahergekommen, denn Paul Jensen (Moritz Bleibtreu) übersiedelt mit der biografischen Ausstattung von Baby Schimmerlos nach Moskau. Der Berliner Klatschreporter, der wegen erfundener Interviews gerade einen Karriereknick hinter sich hat, soll das Hochglanzmagazin Moscow Match für die Reichen und Schönen wieder hip machen.
Der journalistische Entwicklungshelfer ist des Russischen nicht mächtig, was die Russen sofort bemerken und freundlich ins Deutsche wechseln. Der Medienzar Alexej Onjegin (Rade Serbedzija) war mit Jensens Vater befreundet, der vor ein paar Jahren als letzter gläubiger Kommunist gestorben ist. Onjegin pflegt scheinbar ein gelassenes Verhältnis zu Geld und Macht, das der Deutsche ohne Charakter und Eigenschaften nur unterstützen und mit bunten Bildern illustrieren kann. Bereits am ersten Abend hetzt der Berliner dienstlich durch die Moskauer Partyzone, in der auch Katja (Kasia Smutniak) zu Hause ist. Die schöne Russin gibt nebenbei auch kritische Anmerkungen zur Politik von sich. Als anderntags ein bekannter Journalist (man kann dabei an die regierungskritische Journalistin Anna Politkowskaja denken) aus Onjegins Verlagshaus vor Jensens Augen ermordet wird, schwindelt der Klatschreporter, um Katja zu gefallen, einen kurzen Nachruf auf die Gesellschaftsseite.
Leider ist Katja auch eine Terroristin, die mit einem Sprengsatz in der U-Bahn verschwindet. Jensen überlebt den Anschlag mit leichten Verletzungen, die allerdings im Gefängnis behandelt werden, da für Polizei und Geheimdienst alle Indizien gegen den Deutschen sprechen. Jensen muss auf die Seite der Taliban in Tschetschenien gewechselt sein. Das sieht zunächst nicht gut aus, da die Gefangenen wie Tiere gehalten werden, aber Jensens Abstieg in die Hölle der russischen Innenpolitik ist die schmerzhafte Folge einer raffinierten Intrige. Im Parlament soll über eine Verschärfung der Antiterrorgesetze abgestimmt werden.
„Die vierte Macht“ folgt in groben Zügen und unter Wahrung rechtlicher Vorsichtsmaßnahmen („Handlung und Personen sind erfunden“) den Ereignissen in Russland seit der Auflösung der Sowjetunion. Ein korrupter Präsident erkauft sich seine Amnestie durch die Ernennung eines jungen Nachfolgers, der dem darniederliegenden Land eine Zukunft schenkt und dafür die Wahrheit opfert. Für drastische Maßnahmen benötigen Politiker jedoch Feindbilder und ein Klima der Angst, weshalb russische Polizisten die Rolle tschetschenischer Terroristen übernehmen. Wohlwollende Russen müssen Jensen diese Zusammenhänge mühsam erklären. Dann wird aus ihm ein besserer Mensch.