Prosafestival Innsbruck

Hartgesottene Glücksritter, schräge Hoffnungsträger

Literatur, Literatur, Literatur heißt es zum zehnten Mal beim Innsbrucker Prosafestival. Zum Beginn gibt es zwei Debüts mit Tirolbezug.

Von J. Leitner und S. Strobl

Innsbruck –In den kommenden Tagen wird Innsbruck wieder zum Dreiländereck in Sachen Literatur. Autorinnen und Autoren aus Österreich, Deutschland und der Schweiz treten zum gemeinsamen Lesen beim „10. Innsbrucker Prosafestival“ an. Etablierte Autorinnen sind ebenso dabei wie Einsteiger in der literarischen Szene. Die Debüts von Nikolai Vogel und Elisabeth Hager geben einen Vorgeschmack auf die Jubiläumsausgabe des Literaturfestes und einen Einblick in junge Literatur.

Da stellt einer fest, dass er plötzlich und unzureichend informiert Zuarbeiter eines international agierenden Diamantenschmugglerrings geworden ist, und was macht er? Er macht natürlich weiter, verschiebt Unsummen, staubt seine zehn Prozent ab und verliert zusehends die Kontrolle. Von seinem in tumber Lethargie erstarrten Leben als Lohnschreiber für ein Computer-Fachmagazin, vom Blümchensex mit der angehenden Juristin Christine und von zugemüllten Mail-Accounts will der Protagonist von Nikolai Vogels Roman-Debüt „Spam Diamond“ (erschienen beim Tiroler Haymon Verlag) nichts mehr wissen. Im Gegenteil: Zunächst ordentlich abkassieren, dann mit Veronique, einer fleischgewordenen „Youporn“-Fantasie aus Antwerpen, irgendwo neu anfangen. Und bis dahin, als Seelenbalsam sozusagen: Jede Menge Bier und hin und wieder ein paar Zeilen Wolf Dieter Brinkmann. Vogel erweist sich mit „Spam Diamond“ als meisterhafter Eindampfer von Sprachfloskeln. Wer braucht schon schmückende Adjektive und abgeschmackte Erzählmätzchen, wenn man stattdessen in sattem Stakkato auf ein zunächst überraschendes und doch in aller Konsequenz einzig mögliches Ende zurasen kann: hardboiled 2.0.

Wer ein Faible für coole Namen hat, kann anschließend zu Elisabeth R. Hagers Erstling „Kometen“ (Milena Verlag) greifen. Die gebürtige St. Johannerin schickt Bubi Bergerer auf einen schrägen Trip von Berlin über Tirol nach Rom. Und erzählt dabei die Geschichte einer Selbstbehauptung. Bubi hat ihren langweiligen Job in Berlin satt, sie flieht nach einer Drogennacht mit Hans nach Tirol. Übelkeit im Lkw eines türkischstämmigen Deutschen deutet auf eine Schwangerschaft hin. Zu Hause unterhalb des Kitzbüheler Horns gesteht die Mutter Bubi, dass ihr Vater nicht ihr Vater ist. Bubi steigt auf die Alm, gibt sich einem neuen Trip und einem Albtraum hin. Vielleicht bringt sie versehentlich Hans noch in Innsbruck um. Doch dann sucht sie ihren Vater in Rom. Wer, wenn nicht Kinder, sind die Hoffnung der Welt, heißt es dann ironisch. Einige gesellschaftliche Klischees wirken als Muss. Trotzdem ist „Kometen“ eine Talentprobe, ein von flotter Hand geschriebenes Roadmovie.

Als Vorgeschmack auf das zehnte Prosafestival erklären die Autorin Sabine Gruber und ihr Lektor Martin Hielscher heute um 19 Uhr in der „Haymon“-Buchhandlung, „wie aus Manuskripten Bücher werden“.