Skepsis in Tirol nimmt zu

Tiroler stecken im Stimmungstief

Den größten Handlungsbedarf sieht die Bevölkerung laut aktueller Umfrage in den Bereichen Arbeitsmarkt, Pensionen und Verkehr. Mehr als die Hälfte steht der generellen Entwicklung in Tirol skeptisch gegenüber.

Von Katharina Zierl

Innsbruck –Optimismus war gestern. Die Tiroler sind zunehmend skeptisch. Vor allem die generelle Entwicklung im Land bereitet vielen Sorgenfalten. Laut aktueller AK-Umfrage ist mehr als die Hälfte (53 Prozent) der Befragten der Überzeugung, dass sich die Dinge in Tirol alles in allem in die falsche Richtung bewegen.

Frauen zeigen sich bezüglich der Entwicklung im Land insgesamt optimistischer. 50 Prozent geben an, die Dinge in Tirol würden sich „überwiegend“ oder zumindest „teilweise“ in die richtige Richtung bewegen. Bei den Männern sind nur 34 Prozent positiv gestimmt.

Immerhin zwei Drittel aller Befragten gaben noch im Dezember vergangenen Jahres an, die Entwicklung im Land sei im Großen und Ganzen positiv. Lediglich 19 Prozent sagten, die Entwicklung gehe „teilweise in die falsche Richtung“ – derzeit sind es laut Umfrage rund 44 Prozent.

Ein Negativtrend, der für den Tiroler ÖGB-Vorsitzenden Otto Leist ganz klare Signale aussendet: „Allein der Blick auf den Arbeitsmarkt zeigt doch, dass irgendetwas hier falsch läuft. Während die Lebenshaltungkosten immer höher werden, sind die Löhne zu niedrig.“

Auch Tirols AK-Präsident Erwin Zangerl betonte gestern bei einer Pressekonferenz anlässlich des Josefitages, „dass die Verunsicherung der Menschen in Tirol zusehends steigt“. Vor allem, dass sich die Befindlichkeit der Bevölkerung innerhalb nur weniger Monate so stark verschlechtert habe, „sollte allen zu denken geben“.

Die Tatsache, dass es einen regelrechten „Ansturm“ auf den AK-Unterstützungsfonds gebe, mache ebenfalls deutlich, wie viele Tiroler sich in einer „prekären Situation“ befänden, erklärt Zangerl. „Wenn die öffentliche Hand einspart und das Leben immer teurer wird, steigt bei allen sozialen Einrichtungen die Zahl der Hilfesuchenden“, sagt der Präsident der Arbeiterkammer. Seit der Gründung im Jahr 2009 stieg die Zahl der Hilfesuchenden beim AK-Unterstützungsfonds drastisch an: 2011 habe man 727 Personen und deren Angehörigen mit einer Gesamtsumme von insgesamt 330.200 Euro aus einer Notsituation geholfen.

Schon in den ersten beiden Monaten 2012 wurden 171 Tiroler mit insgesamt 85.700 Euro unterstützt. „In jedem Jahr wurde eine Zunahme an Notfällen um rund 30 Prozent verzeichnet“, bilanziert Zangerl. Obergrenze gebe es in Sachen finanzieller Hilfeleistung keine. „Wir versuchen, das Geld zur Verfügung zu stellen, das eben benötigt wird“, betont der Präsident der Tiroler Arbeiterkammer. „Oft sind Familien bereits mit den Kosten für den Schulbesuch ihrer Kinder finanziell überfordert. Da kommt es vor, dass Eltern erleichtert sind, wenn die Schulskiwoche ausfällt, weil sie mit hohen Kosten verbunden ist“, sagt Lothar Müller, Koordinator des Unterstützungsfonds.

Jürgen Bodenseer, Präsident der Tiroler Wirtschaftskammer, beurteilt die Gesamtsituation in Tirol naturgemäß weniger dramatisch. „Dass seitens der Arbeiterkammer am 19. März, dem Josefitag, wieder gejammert wird, war ja nicht anders zu erwarten. Dabei gibt es derzeit einen historischen Höchststand an Beschäftigten und gleichzeitig eine der niedrigsten Arbeitslosenraten in ganz Europa“, betont Bodenseer.

Neben der Unzufriedenheit mit der eigenen Lebenssituation und der negativen Beurteilung der Gesamt-Entwicklung im Land liefert die Umfrage noch andere Erkenntnisse: So geben 17 Prozent der Tiroler an, dass es im Bereich Arbeitslosigkeit/Arbeitsplätze/Arbeitsmarkt den größten Handlungsbedarf gebe. Die Themen Pensionen/Altersvorsorge (12 Prozent), Verkehr (9 Prozent), Politik (8 Prozent) und Jugend (7 Prozent) sollten laut den Tirolern ebenfalls mehr Beachtung finden. „Auch diese Ergebnisse zeigen, wie verunsichert die Tiroler derzeit – zu Recht – sind“, sagt Zangerl.

Ebenfalls kritisch beäugt die Bevölkerung laut Umfrage die Verteilung der Steuerlasten in Österreich und in Tirol. 85 Prozent geben an, die Steuerlasten seien in Österreich nicht gerecht verteilt, 82 Prozent bekritteln das für Tirol. Auch bei der Verteilung von öffentlichen Mitteln sehen die Befragten Defizite: 82 Prozent der Tiroler geben an, diese würden im Land nicht gerecht verteilt und sinnvoll verwendet werden.

Hinsichtlich der Qualität staatlicher Leistungen gibt es in Tirol zwei Lager: 47 Prozent sagen laut market-Erhebung, die Leistungsqualität sei gut und mit den Steuergeldern werde gut gewirtschaftet. Der Rest bezweifelt das.

Beim allseits gegenwärtigen Thema Sparen sind die meisten Befragten (39 Prozent) für weniger Ausgaben bei Großinvestitionen der öffentlichen Hand. Ein Viertel hält die Kürzung von Förderungen für sinnvoll. Fünf Prozent sprechen sich für höhere Steuern und Abgaben aus. Lediglich drei Prozent der Tiroler halten die Einschränkungen von öffentlichen Dienstleistungen (Gericht, Schulen usw.) für eine zielführende Maßnahme, um das Budget zu sanieren.