ÖVP muss sich benehmen, aber nicht an den Galgen
Als Reaktion auf die jüngsten Vorwürfe gegen ÖVP-Politiker soll es in der Volkspartei künftig einen Verhaltenskodex geben. Bei Zuwiderhandeln würden laut Parteiechef Spindelegger „klare Konsequenzen“ drohen. Tirols Landeshauptmann Platter findet das „sehr fortschrittlich“, die SPÖ-Minister sehen bei der eigenen Partei „keinen Bedarf“.
Wien - Vizekanzler Michael Spindelegger verpasst der ÖVP angesichts diverser Korruptionsvorwürfe gegen die Volkspartei einen Verhaltenskodex. Ausarbeiten werden ihn der ehemalige Vorarlberger Landeshauptmann Herbert Sausgruber (ÖVP), die frühere Nationalbank-Chefin Maria Schaumayer sowie der Jurist Wolfgang Mantl. Wer sich nicht an den Kodex hält, hat mit Sanktionen bis hin zum Parteiausschluss zu rechnen.
Die ÖVP war zuletzt im parlamentarischen Untersuchungsausschuss in den Fokus gerückt, als die Chefin einer Werbeagentur bestätigte, dass die Firma „Valora“ des Telekom-Lobbyisten Peter Hochegger den von ihrer Agentur durchgeführten Jugendwahlkampf der ÖVP im Jahr 2008 gezahlt habe. Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den VP-Fraktionsführer im U-Ausschuss, Werner Amon, wegen Geldwäsche. Anlass sind Zahlungen der „Valora“ an den ÖAAB, für die keine Gegenleistung aufzufinden ist. Amon war damals Generalsekretär des Arbeitnehmerbunds.
„Politisch-moralische Handlungsanleitung“
Angesichts all dieser Vorwürfe will Spindelegger nun seiner Partei ein neues Image verpassen: „Ich möchte als ÖVP-Obmann eine saubere Partei führen.“ Von einem ÖVP-Politiker erwarte er mehr als sich nur an die Gesetze zu halten, deshalb der Verhaltenskodex, der eine „politisch-moralische Handlungsanleitung“ darstellen solle. Die übrigen VP-Regierungsmitglieder zeigten sich solidarisch. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sieht ein wichtiges Signal, habe sich in letzter Zeit doch schon eine demokratie-bedenkliche Verallgemeinerung ergeben, was das Image der Politik anlangt.
Unterschreiben müssen werden den Kodex nur neue ÖVP-Politiker. Die schon Aktiven werden durch einen Vorstandsbeschluss an ihn gebunden. Wer sich nicht an die Regeln hält, muss die Partei im schlimmsten Fall verlassen. Näher auf die möglichen Sanktionen wollte Spindelegger nicht eingehen, liege der Kodex doch noch nicht einmal vor: „Und sie wollen schon einen am Galgen hängen sehen“, meinte er zu Journalisten nach dem Ministerrat. Eine mögliche Maßnahme schloss der VP-Chef jedenfalls gleich einmal sarkastisch aus: „Ich habe nicht vor, ÖVP-Gefängnisse zu eröffnen.“
„Kein Bedarf“ bei SPÖ
Solche Zwangsmaßnahmen zeichnen sich auch bei der SPÖ nicht ab, ganz im Gegenteil halten die Sozialdemokraten herzlich wenig davon, sich einem Kodex zu unterwerfen: Finanzstaatssekretär Andreas Schieder (SPÖ) sprach von einem „Armutszeugnis“, wenn man einen Kodex brauche, um zu wissen, wie man sich zu verhalten habe. Kurz und bündig Infrastrukturministerin Doris Bures (S): „Man weiß, was geht und was nicht.“
Ganz ausschließen wollte der Parteichef solch eine Maßnahme dann aber auch wieder nicht. Er wolle einmal abwarten, was die ÖVP letztlich auf den Tisch lege, erklärte Kanzler Werner Faymann nach dem Ministerrat. Grundsätzlich sei er aber der Meinung, dass gute Gesetze und hohe Transparenz die beste Wirkung gegen Korruption erzielten.
Dass die ÖVP einen Verhaltenskodex nötig hat, steht für den FPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss Walter Rosenkranz immerhin außer Streit. Nur hätte die ÖVP als Regierungspartei eigentlich die Möglichkeit, das erwünschte Verhalten auch gesetzlich herbeizuführen. Der Grüne Vizechef Werner Kogler ortet gar einen „plumpen Blockadeversuch“ der Volkspartei gegen strengere Gesetze. Auch BZÖ-Bündniskoordinator erblickt lediglich einen „schwarzen Ablenkungsballon“.
Spindelegger hatte demgegenüber wiederholt betont, dass ohnehin bis zum Sommer die schärferen Gesetze im Korruptionsbereich vorgelegt würden. Mit dem Kodex wolle man aber Regelungen etablieren, die strenger seien als strafrechtliche Vorgaben - eine „politisch-moralische Handlungsanleitung“.
Spindelegger-Vorstoß für Platter „sehr mutig“
Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) hat Spindeleggers Vorhaben als „positiv“ und einen „sehr mutigen Vorstoß“ bezeichnet. Die ÖVP sei damit „sehr fortschrittlich unterwegs“, Spindelegger nehme „die Dinge in die Hand“, meinte Platter am Dienstag bei einer Pressekonferenz nach der Regierungssitzung in Innsbruck. Nun müsse erwirkt werden, dass sich auch alle dem geplanten Verhaltenskodex „unterziehen“ würden, sagte Platter.
Er habe bereits vor rund einem Jahr beim ÖVP-Bundesparteitag einen solchen Verhaltenskodex verlangt, bemerkte Platter. Der Landeshauptmann begrüßte auch, dass Spindelegger „honorige Persönlichkeiten“ für die Ausarbeitung des Kodex vorgesehen habe. Wie vom Bundesparteiobmann angekündigt, sollen der Vorarlberger Alt-Landeshauptmann Herbert Sausgruber, die frühere Nationalbank-Chefin Maria Schaumayer und der Jurist Wolfgang Mantl Verhaltensregelungen für ÖVP-Politiker aufsetzen. Den Fall Amon wollte Platter nicht kommentieren.
Der Landeshauptmann kündigte ein weiteres mal an, ein eigenes Tiroler Transparenzgesetz zur Parteienfinanzierung zu machen, falls auf Bundesebene weiterhin keine Regelung zustande komme. Dies solle dann noch vor der im Frühjahr 2013 anstehenden Landtagswahl geschehen. Platter will unter anderem das sogenannte „Anfüttern“ von Politikern überhaupt verbieten lassen.
„Kein Bedarf“ bei SPÖ
Die SPÖ kümmert Spindeleggers Idee wenig. Vor dem Ministerrat meinten mehrere SP-Minister, dass solch eine Maßnahme für die Sozialdemokraten unnötig sei. „Man weiß was geht und was nicht“, erklärte etwa Infrastrukturministerin Doris Bures. Finanzstaatssekretär Andreas Schieder sprach gar von einem „Armutszeugnis“, wenn man einen Kodex brauche, um zu wissen, wie man sich zu verhalten habe.
Auch Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek hat kein Bedürfnis nach entsprechenden Regelungen: „Als Politiker sollte man wissen, wie man sich zu benehmen hat.“ Gesundheitsminister Alois Stöger fügte an: „Die Sozialdemokratie in Österreich hat immer Moral bewiesen.“
Bundeskanzler Werner Faymann hat unterdessen noch nicht entschieden, ob auch seine SPÖ einen Verhaltenskodex braucht. Er wolle sich zunächst einmal ansehen, was die ÖVP bei diesem Thema erarbeite, erklärte der Parteivorsitzende Dienstagvormittag im Pressefoyer nach dem Ministerrat. Grundsätzlich sei er aber der Meinung, dass gute Gesetze und hohe Transparenz die beste Wirkung gegen Korruption erzielten. (tt.com/APA)