Wohnen mitten in einer Naturkulisse
Die beiden „pluspunktarchitekten“ sind Architektinnen: Maria Lercher-Frischmann und Hanne Kääb-Alliger punkten in ihrer Architektur mit unerwarteten Dingen und suchen individuelle Wege.
Von Ursula Philadelphy
Walchsee –Männliche Spielregeln vermeiden die beiden Architektinnen gerne, die seit einigen Jahren zusammen in Wörgl ihr Architekturbüro „pluspunktarchitekten“ betreiben. Sie kommen ohne Alphatier aus und planen alles gemeinsam. Die Ergebnisse sind sehr individuell, werden Zug um Zug entwickelt. „Nicht selten bleiben wir dann aber bei der ersten Idee hängen, verwerfen alles andere wieder“, meinen sie unisono.
„Wir haben keinen vorhersehbaren Stil, kein Markenzeichen“, so Kääb-Alliger, „außer vielleicht die Fenster übers Eck, die immer wieder auftauchen.“ Zwingend sind die gute Gestaltung und ein hohes Maß an Ästhetik, evoziert mit den unterschiedlichsten Materialien, die nicht selten überraschend kombiniert werden. Beide empfinden die Tatsache, dass sie „beim Entwerfen zu zweit vor dem Bildschirm sitzen“, als angenehmen Aspekt. „Das ist gut fürs Feedback“, ist Lercher-Frischmann überzeugt.
Die Devise heißt: „Planen mit dem Ort, mit den BauherrInnen und gegen vorgefertigte Meinungen.“ So war es auch in Walchsee, wo es galt, ein schmales Grundstück direkt am Bach zu bebauen. Der Altbestand war klein, aber die Kubatur durfte erweitert werden und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Obwohl im Augenblick nicht die Hausherrin, für deren ganz persönliche Wünsche geplant worden war, das Haus bewohnt, sondern zwei Freelancer: sie aus dem Interieur- und er aus dem Gastronomie-Event- Bereich.
Auf 190 m² und drei Etagen entwickelt sich ein sehr offenes Wohnen. Bereits das Entree signalisiert klare Strukturen. Außen durch eine rechtwinkelige Überdachung in dunklem Grau fast mit Höhlencharakter. Innen dominieren ruhige, dezente Materialien und Farben. Es sind ungewöhnliche Kombinationen, die sich aber gegenseitig betonen und die sehr gegensätzliche Haptik der Materialien unterstreichen. Direkt auf dem Estrich wurde eine zementgebundene, mineralische Beschichtung aufgebracht, durchgefärbt und fugenlos – mit unregelmäßiger, unebener Struktur, die sich auch in der Chromatik fortsetzt. Dazu eine blassgraue Sichtbetonwand neben einem großen Fenster, die ihre Fortsetzung in einer überdimensionalen Cortenstahlplatte findet, die ins Obergeschoß leitet. Der raue Stahl mit Rost und grober Oberflächenstruktur steht in Kontrast zu den spiegelglatten cremefarbenen Betonblöcken der Stufen.
Ein kleines Büro, der Schlafbereich und ein offener Badezimmerbereich, der zum Eingang hin mit einer Papierfaltwand abgeschirmt wurde, gehen ineinander über. Im Bad besticht eine große, in den Boden eingelassene Wanne und die weiße Sanitäreinrichtung kontrastiert sehr klar zu den schwarzen Wänden.
Der im Souterrain geplante Gästebereich fungiert derzeit als erweiterte Garderobe und Bürodependance und beherbergt ebenso die Technik wie den Hackschnitzelraum der Heizung.
Im ersten Stock bieten perfekt angeordnete Fenster atemberaubende Ausblicke in die Bergwelt, fungieren fast als Bilder. Im Küchenbereich, der regelmäßig und mit viel Lust frequentiert wird, dominiert eine Küche von Bulthaup mit zwei Schränken und einer Werkbank. Eine witzige Tapetenwand mit überdimensionalen Kaviardosen ist das Highlight neben dem riesigen Esstisch mit dicker Holzplatte, dazu kombiniert sind Kunststoff-Schalensessel. Eine moderne Sitzlandschaft gibt sich flexibel und wird auch regelmäßig verändert und kann in alle Himmelsrichtungen frequentiert werden. Zentraler Punkt zwischen Küche und Wohnzimmer ist ein Kamin.