Der Verlust der Würde für einen Film
In „Und dann der Regen“ erzählt die Spanierin Icíar Bollaín auf zwei Zeitebenen von der Ausbeutung indigener Völker.
Von Peter Angerer
Innsbruck –Jahrelang hat Sebastián (Gael García Bernal) für die Realisierung seines Filmprojektes über zwei Priester gekämpft, die sich den Konquistadoren entgegenstellten, um die indigenen Bewohner der Neuen Welt zu schützen. Diese Haltung hat dem spanischen Produzenten Costa (Luis Tosar) imponiert, wenn auch einige Kompromisse notwendig waren. So wird beispielsweise nicht in Kuba gedreht, wo sich die Ereignisse abspielten, sondern in Bolivien, wo sich die Bevölkerung mangels Beschäftigung ohnehin langweilt und das Filmteam mit offenen Armen empfangen wird. Tatsächlich wartet auf dem Dorfplatz bereits ein Heer von Laiendarstellern, die nicht ganz so aussehen wie die Tainos vor 500 Jahren. Dafür nehmen die Aymara auch nur fünf Dollar pro Tag.
Während der Regisseur aufregende Gesichter entdeckt, bemerkt der Produzent nur Ärger für das Produktionsbüro. Besonders angetan hat es Sebastián der Campesino Daniel (Juan Carlos Aduviri), von dessen Augen dieses zornige Flackern ausgeht und der sich als Gegenspieler zum erbarmungslosen Eroberer eignen würde. Jeder Taino musste täglich einen Behälter voll Gold abliefern. Säumigen wurde ein Arm abgehackt. Daniel bringt aber nicht nur authentischen Zorn in die Rolle des Häuptlings. Der für einfältig gehaltene Laiendarsteller hat auch zwei Jahre lang als Maurer in den Vereinigten Staaten gearbeitet und ist dabei, das Feuer des Widerstands auf das Komparsenheer zur übertragen. Daniel wird von der Polizei als Unruhestifter verfolgt, seitdem ein multinationaler Konzern sein Interesse an den Wasserreserven der Gegend angemeldet hat. Seither darf die indigene Bevölkerung nicht einmal mehr das aufgefangene Regenwasser nützen. Für die Auslieferung Daniels garantieren die Behörden den reibungslosen Ablauf der Dreharbeiten. Das bringt den Produzenten in einen Gewissenskonflikt, für den Künstler Sebastián ist das jedoch ein akzeptables Angebot, denn „der Film ist für die Ewigkeit”. Es ist dann ausgerechnet der Mann mit dem Geld, der den Wert eines Menschen höher veranschlagt.
Paul Laverty, der seit Jahren die Drehbücher für den britischen Regisseur Ken Loach („Looking for Eric”) schreibt, hat sich für seine Vorlage zu „Und dann der Regen“ eine beeindruckende Konstruktion ausgedacht, indem er zwei historische Ereignisse für eine Film-im-Film-Handlung verschränkt. Der Film erzählt von der brutalen Eroberung des Kontinents ab dem Jahr 1492 und wie sich 2000 Bauern mit Straßenblockaden gegen die Privatisierung bolivianischer Wasservorräte wehrten. Der Widerstand der Bevölkerung erregte damals unter der Schlagzeile „Wasserkrieg in Cochabamba“ weltweites Aufsehen und führte zur Wahl des ersten indigenen Staatspräsidenten. Icíar Bollaín setzt bei ihrer Inszenierung auf die Macht der Gefühle, ohne in der Pathos-Falle zu versinken. Damit ist ihr das gelungen, was ihr Sebastián erreichen wollte: ein Film für die Ewigkeit.