Die große Familie der Rabenvögel
Es gibt elf Arten von Rabenvögeln in Tirol – manche von ihnen sind von Innsbrucks Stadtbild kaum noch wegzudenken. Momentan können Hobby-Ornithologen deren Balzflüge auf der Nistplatzsuche beobachten.
Von Helmut Pechlaner
Mit elf Arten von Rabenvögeln gibt es in unserem Land eine große Vielfalt, daher ist die Verwirrung bei vielen Menschen groß. Eines steht fest: Nicht alle Raben sind schwarz, der Eichelhäher ist wohl der bunteste unter unseren Rabenvögeln, und nicht alle schwarzen Vögel sind Raben – dieser Irrtum hat schon im Mittelalter zum Namen „Waldrapp“ für diesen schwarz-schillernden Ibis-Vogel geführt.
Namenspatron der Familie und ihr stattlichster Vertreter ist der unglaublich intelligente Kolkrabe. Alle Rabenvögel haben einen kräftigen Schnabel und sind Allesfresser. Dazu gehören aber auch Krähen, Dohlen, Elstern und Häher. Obwohl viel größer als Spatzen, zählt die Familie zu den Sperlingsvögeln. Und obwohl ihre Laute selten melodisch klingen, gehören sie auch zu den Singvögeln.
Die beiden Dohlen-Arten und Alpenkrähen gehören also auch zur Familie der Rabenvögel. Alpendohle und Alpenkrähe sind so nahe miteinander verwandt, dass nicht nur im Zoo, sondern sogar in der freien Natur Mischlinge vorkommen. Turmdohlen sind in den Niederungen und Mittelgebirgen zuhause, verwechseln könnte man sie höchstens mit kleinen Saatkrähen. Sie haben ein schwarzes Gefieder mit einem grauen Nacken, die Unterseite ist dunkelgrau. Ihre Augen stechen hellgrau hervor. Turmdohlen sind immer aktiv und in Bewegung, sie fliegen blitzschnell und rufen ständig ihr typisches „kjac“.
Bei den Frühjahrsaktivitäten ist ihr Rufen häufig gut zu hören, Balzflüge, Nistplatzsuche und kleinere Streitereien halten die Vögel in Bewegung. Ihre Bruthöhlen suchen Turmdohlen in Felsabbrüchen oder hohlen Bäumen, heute auch oft in der Nähe der Menschen, in Mauernischen von Burgen aber auch in Gesimsen aufgelassener Fabrikhallen oder in Kirchtürmen – daher auch der Name. Sie sind in ganz Österreich anzutreffen. Im Tiroler Inntal genauso wie in den Donauauen oder im Südburgenland.
Wenn hingegen in Bergdörfern von Dohlen die Rede ist, sind sicher die Alpendohlen gemeint. Vom schwarzen Gefieder und der Größe her sind sie sicher mit anderen mittelgroßen Raben vergleichbar, es gibt aber auffällige Unterschiede: Alpendohlen haben einen schlanken, leuchtend gelben Schnabel und rote Füße. Damit sehen sie fast wie ein riesiges Amselmännchen aus. Ihr Ruf, ein ständiges „skrii“ ist unverwechselbar. Alpendohlen brüten meist zu mehreren Paaren in Felswänden oberhalb der Baumgrenze. Vor Menschen haben sie wenig Scheu, gerade bei Schutzhütten betteln sie gerne um ihren Anteil an der Jause der Bergsteiger. Im Spätherbst und Winter gehören Alpendohlen optisch und akustisch zum Stadtbild von Innsbruck, aber auch sonst suchen sie Tal-Lagen auf.
An den Waldrändern fressen sie Beeren und Wildfrüchte, an Hauswänden die blauschwarzen Früchte des wilden Weines. Sogar Futterhäuschen auf Balkonen suchen sie auf – besonders gern in den Hochhäusern des Olympischen Dorfs, diese ersetzten den Vögeln wohl die Felswand. Aber gebrütet haben frei fliegende Alpendohlen noch nie im Tal, so weit geht die Bequemlichkeit als Kulturfolger noch nicht.
Als Rarität gibt es die Alpenkrähe, sie ist einfach prächtig. Sie schaut wie eine größere, herausgeputzte Alpendohle aus. Der schlanke, gebogene Schnabel ist doppelt so lang wie bei der Alpendohle und dazu noch korallenrot gefärbt. Das Gefieder glänzt in der Sonne blauschwarz, der Ruf der Alpenkrähe „kja“ oder „tschaff“ ist typisch.
Von allen Rabenvögeln ist die Alpendohle wohl am höchsten spezialisiert. Sie bettelt nicht um Futter, sie stiehlt nicht wie die Raben. Sie hebelt mit dem Schnabel Steine um und sucht nach fressbarem Getier als Futter.
In vielen Bereichen der Alpen ist sie nun schon völlig verschwunden, restliche Einzelvögel haben sich, ohne menschliches Zutun, im Freiland mit Alpendohlen bastardiert. Während ich Alpenkrähen in Österreich nur im Alpenzoo kennen gelernt habe, habe ich sie in der Hauptstadt der Mongolei, in Ulan Bator, zu Dutzenden beobachtet – vor meinem Hotelzimmer brüteten sie sogar.