Wirtschaftspolitik

Private Equity wittert neue Chancen in der Türkei

Gute wirtschaftliche Fundamentaldaten locken Private-Equity-Firmen in die Türkei. Noch steckt die Branche aber in den Kinderschuhen.

Frankfurt - Die Turbulenzen der europäischen Schuldenkrise und des arabischen Frühlings haben die Türkei mit ihrem stetigen Wachstum aus dem Blickfeld vieler Investoren gedrängt. Eine Branche schaut aber immer genauer hin: Für Beteiligungsgesellschaften wird das Land am Bosporus gerade richtig spannend.

Exzellente Chancen für Investoren

Die Private-Equity-Firmen suchen händeringend renditeträchtige Investments und sehen den Boden dafür in der Türkei gut bereitet: Dank einer rigiden Sparpolitik ist der Schuldenstand auf rund 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesunken, die Wirtschaft ist im vergangenen Jahr um mehr als acht Prozent gewachsen, und zwei Drittel der Bevölkerung sind jünger als 32 Jahre. „Die Türkei ist eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt und bietet exzellente Chancen für Investoren“, konstatiert Can Deldag, Co-Geschäftsführer bei Carlyle MENA Partners, der türkische Ableger der britischen Private Equity Gruppe Carlyle.

Unter anderem entdecken Investoren das Land, die bisher ihren Fokus weiter südlich hatten. „In Ägypten - was der treibende Markt für Private Equity in der Region war - liegt das Geschäft immer noch brach“, sagt Professor Stephen Mezias von der renommierten Wirtschaftsuniversität INSEAD. „Dadurch richtet sich die Aufmerksamkeit umso geballter auf die Türkei.“ Schon jetzt zeichnet sich ab - der Wettbewerb unter den Beteiligungsgesellschaften wird hart. Im Vorteil sind heimische Spieler und globale Firmen, die vor Ort Gesicht zeigen.

Noch steckt die türkische Private-Equity-Branche in den Kinderschuhen. Doch der 2,1 Mrd. Dollar (1,6 Mrd. Euro) schwere Verkauf des Raki-Herstellers Mey Icki an den weltgrößten Spirituosenkonzern Diageo im vergangenen Jahr hat sie mit einem Paukenschlag ins Rampenlicht gerückt. Immerhin haben die Mey-Icki-Verkäufer - die Private-Equity-Gruppe TPG Capital und die heimische Beteiligungsgesellschaft Actera - mit dem Verkauf eine satte Rendite eingefahren. Sie hatten den türkischen Raki-Platzhirsch im Jahr 2006 für rund 800 Mio. Dollar übernommen.

Nun kommt das Geschäft ins Rollen. Im vergangenen Jahr gab es laut Daten von Thomson Reuters 218 Fusionen oder Übernahmen mit türkischer Beteiligung. Das Volumen lag bei knapp 25 Mrd. Dollar. Zwei Jahre zuvor wurden gerade einmal 167 Geschäfte abgeschlossen, mit einem Sechstel des Volumens.

Dominanz der Familienunternehmen

Ein Beispiel für das gestiegene Interesse von Investoren aus aller Welt war der Verkauf der Krankenhausgruppe Acibadem im vergangenen Jahr. Etliche Beteiligungsgesellschaften hatten ihr Interesse angemeldet, darunter Blackstone, KKR, TPG Capital and Advent International. Der Verkäufer - die in Dubai ansässige Private Equity Gesellschaft Abraaj Capital - entschied sich dann für das Angebot des malaysischen Staatsfonds Khazan Nasional.

Der Verkauf der Warenhauskette YKM an den Einzelhandelsriesen Boyner entwickelte sich zur bisher teuersten türkischen Übernahme im Non-Food-Einzelhandel. Wieder gingen die international bekannten Beteiligungsfirmen wie Bridgepoint, Carlyle und oder Actera leer aus. Mehr Verkäufe sind in der Pipeline, dazu gehören eine Zeitung und ein Fernsehsender, für die der Mutterkonzern Calik Holding derzeit Angebote einholt.

Dass Private-Equity-Gesellschaften bisher nur selten zum Zug kommen, hat vor allem mit der Dominanz der Familienunternehmen zu tun. „Überall wird nach potenziellen Zielen gesucht, aber es gibt Probleme bezüglich der Transparenz und der Preise“, sagt Murat Ozgen, der die Beteiligungssparte der größten türkischen Privatbank, Is Bank, leitet. „Deshalb kommen nicht viele Deals zustande.“

Das Blatt könnte sich Experten zufolge aber bald wenden. Denn viele Familienunternehmen werden inzwischen in zweiter oder dritter Generation geführt und wollen weiter expandieren oder einzelne Bereiche abspalten. Das sei die Chance für Private Equity, heißt es. Allerdings nur, wenn die Gesellschaften vor Ort präsent und gut vernetzt sind. Und das haben die Beteiligungsgesellschaften verstanden: Neben Carlyle haben Advent International, Bridgepoint und Mid Europa eigene Dependancen in der Türkei eröffnet. (APA/Reuters)