Nach Blutbad an jüdischer Schule

Todesschütze von Toulouse trug Kamera „auf seiner blutigen Brust“

Kaltblütig erschoss der Unbekannte am Montag vier Menschen, drei Soldaten brachte er in den letzten neun Tagen um. Die französische Polizei jagt einen unheimlichen Serienmörder – und hat bislang wenige Anhaltspunkte.

Toulouse – Drei Anschläge, sieben Tote, eine Waffe: Die französische Polizei jagt einen Serienmörder, der mit seinen Taten das ganze Land in Angst und Schrecken versetzt. „Wir wissen bis heute nicht, wer er ist; so weit sind wir noch nicht“, erklärte der französische Innenminister Claude Guéant am Dienstag. Wenig ist bekannt, viel wird spekuliert über die Hintergründe der Tat und den unheimlichen Schützen, der so eiskalt mordet.

Ein Detail, das erst am Dienstag bekannt wurde: Der Täter trug beim Anschlag auf die jüdische Schule in Toulouse „auf seiner blutigen Brust eine Art Kamera“. Das sagte Guéant dem Radiosender Europe 1. „Ich weiß nicht, was er filmte.“ Zeichnete er die unfassbare Attacke auf die jüdische Schule, bei der er einen 30-jährigen Religionslehrer, seine beiden vier und fünf Jahre alten Söhne kaltblütig erschoss und einen 17-Jährigen schwer verletzte, auf, um die Bilder im Internet zu veröffentlichen? „Das können wir uns vorstellen.“ Die Behörden durchsuchen nun das Netz nach einem Video. Noch seien aber keine Spuren entdeckt worden, berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.

Spurensuche im Internet

Es sieht so aus, als wäre das Blutbad nur der vorläufige Höhepunkt in einer grausamen Anschlagsserie in Montauban und Toulouse: Drei Soldaten mit maghrebischer Abstammung wurden innerhalb der letzten neun Tage hingerichtet, ein vierter, der von den Antillen stammt, wurde schwer verletzt. Immer kam der Täter auf dem gleichen schwarzen Motorroller. Das Nummernkennzeichen, das von der Videoüberwachung um die Tatorte aufgezeichnet wurde, ist ebenfalls identisch, berichtet das französische Magazin „Le Point“.

Am 11. März hatte der Unbekannte zum ersten Mal gemordet. Sein Opfer: ein 30-jähriger Unteroffizier mit arabischen Wurzeln. Der Soldat bot über einen Annonce ein Motorrad zum Verkauf an. Über das Internet soll sich ein Interessent gemeldet und um ein Treffen gebeten haben. Dieses überlebte der 30-Jährige nicht. Mit Unterstützung der Pariser Cyberpolizei suchen die Ermittler nun nach Datenspuren. Wenn er nicht von einem Internet-Café aus die Nachricht geschickt hat oder seine Identität im Netz verschleiert hat, könnte die IP-Adresse die Ermittler vielleicht direkt zum Täter führen. Nur wenige Tage nach der ersten Bluttat erschoss der mysteriöse Rollerfahrer zwei weitere Soldaten, ein dritter wurde schwer verletzt.

Ist der Amokschütze ein Ex-Soldat?

Die Waffe, die der Todesschütze benutzte, ist in allen drei Fällen dieselbe. Das Besondere: Der Colt 45, Kaliber 11,43, ist eine für Terroristen eher ungewöhnlich Waffe. Die großkalibrige Pistole ist schwer, laut und ihr Rückstoß enorm. Um sie zu beherrschen braucht es viel Übung. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass der Mörder den Umgang mit Waffen gewöhnt ist, vielleicht sogar ausgebildet ist zu töten. Das würde die Hypothese stützen, die seit gestern in den Medien kursiert. Dass es sich bei dem Amokschützen nämlich um einen Soldaten handeln könnte. Vielleicht sogar aus dem 17. Fallschirmjägerregiment, das in Montauban stationiert ist – und zu dem die getöteten Militärs gehörten.

Die Einheit, die auch in Afghanistan eingesetzt wird, erlangte 2008 traurige Berühmtheit in Frankreich. Damals flogen drei Soldaten auf, die sich einer Neo-Nazi-Bewegung angeschlossen hatten. Das Trio posierte für ein Foto mit dem Hitler-Gruß vor einer Hakenkreuz-Fahne, berichtet „Le Point“. Gegen die Männer wurde Beschwerde eingelegt, sie wurden rausgeworfen. Das Magazin will erfahren haben, dass die Polizei nun nach den drei ehemaligen Fallschirmjägern fahndet. Einer von ihnen könnte auf Rachefeldzug sein, so eine Theorie der Ermittler.

Hintergrund noch rätselhaft

Die Taten könnten natürlich auch einen rechtsextremistischen Hintergrund haben. Dafür spricht, dass die vier Soldaten eine dunkle Hautfarbe hatten und Moslems waren, und der Täter dann jüdische Kinder und Lehrer zu seinen Opfern machte. Aber ausgerechnet der erste Mord könnte diese Theorie widerlegen. Die Tageszeitung „Le Figaro“ berichtet, der Schütze könne nichts von der arabischen Abstammung des Unteroffiziers gewusst haben. Denn weder der Vor- noch der Nachname seien in der Annonce genannt worden. Es hieß nur, ein Soldat wolle sein Motorrad verkaufen.

Eine weitere Spur, die die Polizei verfolgt: Es könnte sich um einen terroristischen Akt handeln. Der Schütze – oder sogar mehrere – könnten einer organisierten Bande angehören, berichtet „Le Point“. Demnach könnten die Soldaten wegen des Afghanistan-Einsatzes „bestraft“ worden sein. Die jüdischen Opfer könnten aus Rache an Israel getötet worden sein. Keine der Thesen kann derzeit bestätigt oder ausgeschlossen werden. (rena, smo)