Der Verdächtige

25 Jahre im Polizeidienst – und dann ein grausamer Mord

Ein Polizist ist im Fall der ermordeten Zillertaler Bank-Prokuristin der Hauptverdächtige. Bei seiner Einvernahme unternahm der 51-Jährige einen spektakulären Fluchtversuch.

Von Renate Kofler

Innsbruck – Wer ist der Mann, der im Zillertal eine Frau kaltblütig ermordet haben soll, um an Goldbarren im Wert von 330.000 Euro zu gelangen? Diese Frage beschäftigte in den vergangenen Tagen nicht nur die Tiroler Polizei, sondern auch die Bevölkerung. Umso erschreckender, dass sich der Tatverdächtige als Polizist entpuppte, der mehr als 25 Jahre für die Sicherheit in Tirol gesorgt hatte.

Der 51-jährige Beamte soll nach der Tat am Wochenende sogar noch Dienst versehen haben, am Montag wurde er von den Ermittlern des Landeskriminalamts wegen Tatverdachts vorgeladen. Dabei überschlugen sich die Ereignisse, denn bei einer anschließenden Flucht konnten nur durch das beherzte Eingreifen von Polizisten des Landeskriminalamtes weitere Opfer verhindert werden.

Doch von Anfang an: Wie Christoph Hundertpfund, stellvertretender Leiter vom Landeskriminalamt, am Dienstag in einer Pressekonferenz bestätigte, fanden die Ermittler relativ rasch Spuren, die in die eigenen Reihen führten. Zum Pech des mutmaßlichen Täters ist das Auto des Opfers nicht ausgebrannt, so blieben wertvolle Spuren erhalten.

„Es handelt sich hier um einen sehr diffizilen Mordfall. Fest steht, dass der Tatverdächtige die Tat von lange Hand und minutiös geplant hat. Er dürfte ein zum Opfer aufgebautes Vertrauensverhältnis ausgenutzt haben“, erklärte Hundertpfund.

Mittlerweile steht fest, dass sich Opfer und Täter gekannt haben. In welchem Naheverhältnis die beiden standen, will die Polizei allerdings nicht bekannt geben, da dies ihre Privatsphäre berühre. Sie haben sich laut Hundertpfund „über einen geraumen Zeitraum“ gekannt – mindestens aber ein paar Wochen.

Der mutmaßliche Täter hat der 49-jährigen Prokuristin der Raika offenbar ein Goldgeschäft als Vermittler angeboten, inwiefern die Bank davon wusste, ist aber ebenfalls noch unklar. Fest steht aber, dass die Frau am Freitagabend zu einem verabredeten Treffpunkt fuhr, wo der Mörder auf sie wartete.

Der ausgebildete Sprengstoffexperte soll die Frau mit Chloroform betäubt und ans Lenkrad festgeschnallt haben. Dann soll er mit einer Signalrakete versucht haben, das Auto abzubrennen. Im Anschluss dürfte er sich seelenruhig aus dem Staub gemacht haben, in der Hoffnung, dass sein Opfer und die Spuren im Auto verbrennen. Darauf deuten auch Spuren von Brandbeschleuniger hin, die die Ermittler später fanden. Die beiden Taschen mit Goldbarren im Wert von 330.000 Euro nahm er vermutlich an sich.

Während der 51-Jährige am Wochenende noch seelenruhig den Dienst versah, ermittelte das Landeskriminalamt auf Hochtouren. Und fasste den Polizisten schnell ins Auge. Schuld daran waren SMS-Nachrichten, die er mit dem Opfer ausgetauscht hat.

Am Montag wird der Unterländer beim Landeskriminalamt vorgeladen – wo er noch freiwillig auftaucht. Die Befragung dauert mehrere Stunden. Währenddessen erfolgt eine Hausdurchsuchung, bei der die Beamten pyrotechnische Gegenstände sicherstellen. Bei einer Untersuchung seines Schrebergartens entdecken die Ermittler ein Gefäß mit derzeit noch unbekanntem Inhalt.

Bei der Befragung gesteht der Polizist schließlich, dass er sich ein Wertkartenhandy zugelegt hat – dass es eigens für die geplante Tat war, bestreitet er. Auch die Anschaffung von Chloroform muss er eingestehen.

Stundenlang steht der Beamte seinen Kollegen Rede und Antwort, die Ermittler gehen schließlich davon aus, dass der mutmaßliche Täter zu ihnen Vertrauen gefasst hat. Die Sicherheitsbestimmungen werden ein wenig gelockert.

Doch dann überschlagen sich die Ereignisse: In einem unbemerkten Moment nutzt der Mann gegen 22.15 Uhr die Gelegenheit zur Flucht. Er stürmt aus dem Landespolizeikommando auf den Hof und schließlich auf die Straße. Mehrere Polizisten verfolgen ihn dabei. Einer verliert bei einem anschließenden Handgemenge seine Glock, die der Tatverdächtige an sich reißt, gegen seine Kollegen richtet und auch versucht, abzudrücken. Nur das beherzte Eingreifen von LKA-Ermittlern verhindert, dass es weitere Opfer gibt.

Der Mann wird nach dem Gerangel festgenommen und in die Justizanstalt Innsbruck überstellt. Gegen ihn wird jetzt nicht nur wegen Mordes und Raubes ermittelt, sondern auch wegen Mordversuchs.

Das Motiv für den wohl grausamsten Mord der letzten Jahre in Tirol bleibt unterdessen im Dunkeln. Hundertpfund deutet ein „latentes Bereicherungsmotiv“ an, will sich aber nicht näher zu Spekulationen äußern, wonach der Beamte hochverschuldet gewesen sei. Wo die Goldbarren hinverschwunden sind, weiß bislang auch nur der Tatverdächtige. Dieser schweigt sich allerdings zum gegebenen Zeitpunkt noch aus.