Weltpolitik

Einstieg „light“ für den neuen deutschen Bundespräsidenten

Joachim Gauck feiert den Thomanerchor – und überlässt Anderen das Reden.

Leipzig - Es ist ein Einstieg „light“ für den neuen deutschen Bundespräsidenten: Sein erster offizieller Termin außerhalb Berlins führt Joachim Gauck nach Leipzig, wo am Dienstag das 800-jährige Jubiläum des weltberühmten Thomanerchores gefeiert wurde. Bei dem rund eineinhalbstündigen Festakt in der Thomaskirche können sich Gauck und seine mitgereiste Lebensgefährtin Daniela Schadt ganz der Musik und dem Gesang des Knabenchores hingeben. Die Festreden halten diesmal noch Andere.

„Guten Tag Leipzig“, ruft ein gut gelaunter Joachim Gauck, als er bei schönstem Sonnenschein an der Thomaskirche der schwarzen Präsidentenlimousine entsteigt. Aus der Menschenmenge erntet er Beifall und vereinzelte Jubelrufe. Gauck schüttelt Thomaner-Knaben die Hände und lasst sich vor dem Bach-Denkmal fotografieren, bevor er - begleitet von Glockengeläut - die Kirche geht. Für den Theologen eigentlich ein vertrauter Ort. Dass ihn die dort versammelten Repräsentanten von Stadt, Politik und Gesellschaft mit Standing Ovations empfangen, daran muss sich der neue Bundespräsident aber erst noch gewöhnen.

Die Veranstaltung ist Teil des Jubiläumsjahres „800 Jahre Thomana“, mit dem Leipzig in diesem Jahr Thomanerchor, Thomaskirche und Thomasschule würdigt. In zahlreichen Festreden wird an die lange Tradition des Thomanerchors erinnert, der untrennbar mit der Geschichte Leipzigs und dem Namen Johann-Sebastian Bach verbunden ist. Unter der Leitung des Thomaskantors erlebte der Chor in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Blütezeit. Heute ist der weltberühmte Knabenchor, dem rund hundert Buben und Jugendliche von neun bis 18 Jahren angehören, einer der wichtigsten musikalischen Botschafter der Stadt.

Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung freut sich zugleich über die „Ehre“, dass Gauck zwei Tage nach seiner Wahl am Sonntag und noch vor seiner Vereidigung am kommenden Freitag nach Leipzig gekommen ist. Immerhin hatte Gauck schon Ende Februar zugesagt - zehn Tage nach dem Rücktritt des damaligen deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff, dem die Einladung ursprünglich galt.

Die mehreren hundert Menschen, die am Dienstag auf dem Platz vor der Thomaskirche der Übertragung des Festakts lauschen, sind nicht nur des Thomanerchors wegen gekommen. Viele wollen ihren neuen Bundespräsidenten sehen. Zu ihnen gehört Christel Blödorn - sie wünscht sich, dass Gauck sich in seinem neuen Amt nicht nur seinem Hauptthema, der „Freiheit“ zuwendet, sondern sich auch zur sozialen Gerechtigkeit bekennt. „Die Erwartungen an Gauck sind sehr hoch, aber man muss ihm eine Schonfrist zugestehen“, sagt die 71-jährige Leipzigerin.

Als Gauck gegen Mittag winkend die Thomaskirche verlässt, brandet erneut Beifall auf. Der deutsche Bundespräsident zeigt sich sehr bewegt von dem Festakt und dem freundlichen Empfang. „Ich bin dankbar, dass das mein erster Termin war“, sagt Gauck und steuert auf die Limousine zu, ohne nochmals Hände zu schütteln.

Denn die Zeit drängt. Für Freitag ist die nächste Ansprache des neuen deutschen Bundespräsidenten geplant, wenn er nach seinem Amtseid vor Bundestag und Bundesrat das Wort ergreifen will. Das wird dann keine „Light-Version“ mehr. Auf Gauck ruht die Hoffnung, dass er dem Amt nach dem Abtritt von Wulff neue Würde verleiht. (APA/AFP)