Konzert in der Area 47

Deichkinds verrückte Performance: Oper fürs Volk

Die Hamburger haben am Dienstag in der Area 47 klar gemacht, wer die Party rockt und den Fans eine bombastische Show geboten.

Von Sabine Theiner

Ötztal-Bahnhof – Deichkind mögen keine leisen Töne, Zurückhaltung ist nicht ihr Ding. Dafür mögen sie Krawall und Remmidemmi, das ist das Motto ihrer Shows, auch beim Konzert in der Area 47, wo ohrenbetäubend laute Beats, Sprechgesang und ein Bühnenbild regieren, das als postmoderne Opernkulisse durchgeht. Sie selbst sehen in ihren verrückten silbrigen Outfits aus wie eine Truppe von Space Invaders oder wie Poltergeister.

Die Bühne ist entweder in gleißendes Licht getaucht oder ziemlich dunkel gehalten und es entsteht fast der Eindruck, als wäre mit einer Götterdämmerung zu rechnen. Auf diesem Tummelplatz gibt das Kollektiv kleine Aerobic-Choreographien zum Besten, hopst und turnt in einer Tour. Für ihre ausgefallene Show scheuen Deichkind keinen Aufwand: ein Tandem fährt über die Bühne, eine kleine gelbe Gummirutsche für Kinder taucht auf, alle tanzen mit Papierschirmen herum, die obligaten Pyramidenhelme kommen zum Einsatz, ein leuchtendes Solarium kommt angefahren, auf einem Trampolin wird gehüpft usw. Zweimal surft ein Deichkind in einem Gummiboot über die tobende Menge und zu „Roll das Fass rein“ fahren sie alle (sie sind übrigens zu sechst, die vier Bandmitglieder bekommen Unterstützung) in einem überdimensionalen Fass durchs Publikum.

Das trashige Spektakel hat etwas von einer avantgardistischen Theateraufführung, der ganze Zinober ist eine ebenso schrille wie clevere Inszenierung. So etwas hat man noch nie gesehen, so etwas machen nur Deichkind. Zusammen mit der dröhnenden Musik entsteht ein kraftvolles und energiegeladenes Ganzes. Der Bass wummert und tobt, die Synthesizer flirren und surren, die Beats hacken und pumpen dass einem schwindlig wird.

Für fast zwei volle Stunden wird das Gehör des jugendlichen Publikums stark strapaziert – aber eine Party muss nun mal laut sein. Hoch motivierte Fans feiern ihre Helden mit frenetischem Applaus, machen begeistert jeden Jux mit und singen aus voller Kehle zu Hits wie „Arbeit nervt“, „Bon Voyage“ und „Leider geil“. Einige der 2000 Besucher kamen – wahrscheinlich ganz im Sinne der futuristischen Gaukler – verkleidet: in hautengen, neonfarbenen Ganzköperanzügen (inklusive Kopf und Gesicht), in Hosen aus Müllsäcken und mit bunter Gesichtsbemalung.

Als furioses Finale geben Deichkind das mit Freude erwartete „Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah)“ zum Besten, zu dem wieder das Gummiboot über die Menge wackelt und der Insasse Papierschnipsel streut. Langweilig war’s keinen Moment lang, denn Deichkind sind für alles zu haben. Sogar für nackte Schwabbelbäuche und einen entblößten Hintern.