Eine ziemlich finstere Geschichte vom Dorf
Mit Leos Janácˇeks „Jenufa“ steht am Tiroler Landestheater eine große, unvergleichliche Oper vor der Premiere.
Innsbruck –Seine Bedeutung als Komponist ist spät erkannt worden. Erst im letzten Dezennium seines Lebens erfuhr Leos Janácˇek (1854–1928) die Aufmerksamkeit, die ihm und seinem Werk gebührt. Zuvor hatte er ein bescheidenes Leben als Musiklehrer, später Musikschulleiter und Dirigent, geführt. Der eher scheue Musiker, der mit leidenschaftlicher Konsequenz mährische Volksmusik sammelte und in einer eigens erfundenen Schrift die Laute der Natur und die Melodie der Alltagssprache aufzeichnete, lebte abseits der Metropole Prag in Brünn.
Der Tod seiner Tochter Olga erschütterte ihn, als er gerade seine Oper „Jenufa“ beendete. „Gerade deshalb ist bemerkenswert, dass Janácˇek die Oper in so apotheotischer Weise enden lässt“, sagt Bruno Klimek, am Landestheater nun für die „Jenufa“-Neuinszenierung und die Bühnengestaltung verantwortlich. Klimek ist freischaffender Regisseur und Bühnenbildner und Professor für Szenische Ausbildung an der renommierten Folkwang Universität Essen. Die musikalische Leitung hat Alexander Rumpf, Premiere ist morgen Samstag.
Die Männer der Müllerfamilie Buryja leben unter keinem guten Stern. Ihre Frauen ziehen unter moralischem Druck eigene und Ziehkinder groß. Die sittenstrenge Küsterin wacht über ihre Ziehtochter Jenufa, die von dem liederlichen Steva Buryja verführt und verlassen, aber von dessen Halbbruder Laca geliebt wird. Als Jenufa Stevas Kind zur Welt bringt, wird es von der Küsterin ertränkt. Diese bekennt sich zu ihrer Tat und Jenufa erhört Laca.
„Eine ziemlich finstere Geschichte vom Dorf fast antiken Ausmaßes“, sagt Klimek. „Janácˇek schafft auf unvergleichliche, zutiefst anrührende Weise eine Verdichtung der hochkomplizierten psychologischen Situation. Was geschieht, passiert in den Figuren.“
Janácˇeks „Jenufa“-Musik, in zehn Jahren entstanden, 1904 in Brünn uraufgeführt und seit der Prager Aufführung 1916 ein Welterfolg, bleibt in der Tonalität, wurde aber ein Wegbereiter der Moderne. Sie ist geprägt von der ins Musikalische transferierten Wortmelodie, von kleingliedriger Motivik und Wiederholungen. Der Prager Dichter Max Brod hat die tschechische Textvorlage der Oper ins Deutsche übertragen, und diese Fassung wird am TLT gesungen. Jenufa wird alternierend von Christiane Libor und Jennifer Maines verkörpert, die Küsterin von Hedwig Fassbender, die Tenöre Vincent Wolfsteiner und Tilman Unger bzw.Ansgar Matthes sind Laca und Steva.
„Jenufa“ ist zuletzt 1990 am Tiroler Landestheater gezeigt worden. In drei ereignishaften Vorstellungen sangen Barbara Daniels die Titelpartie und Leonie Rysanek die Küsterin. (u.st.)