Mädchenjahre einer Königin
Auf ihrem neuen Album „MDNA“ schlägt Madonna harte und rotzfreche Töne an und lässt ihre innere Göre aufleben. Ja, wird die Pop-Queen denn nie erwachsen?
Von Christiane Fasching
Innsbruck –Frauen über 50 fragt man nicht nach ihrem Alter. Madonna wiederum sieht ohne Frage jünger aus als 53 – was nicht weiter verwundert. Die Pop-Queen, die im Laufe ihrer 30-jährigen Karriere sagenhafte 300 Millionen Tonträger unters Volk gebracht hat, ist nicht umsonst eine rastlose Fitness-Fanatin, die bei ihren Konzerten gern das Mikro zugunsten eines Springseils zur Seite legt. Von alleine werden die Oberschenkel nämlich nicht so stählern – damit das Gesicht faltenfrei wirkt, gibt‘s ja glücklicherweise Photoshop.
Und so sieht die Pop-Ikone auf den Werbefotos zu ihrem heute erscheinenden, zwölften Studio-Album „MDNA“ (Interscope Universal) aus wie ein lasziver Backfisch, der gerade einmal den Führerschein gemacht hat. Die Jungbrunnen-Optik hat auch auf die Songs der Mit-Fünfzigerin abgefärbt, die partout nicht wahrhaben will, dass sie dem Mädchenalter schon ein Zeitchen entwachsen ist. Madonna sieht sich selbst als „Girl“ – sei‘s im infantilen „Birthday Song“, der das Zeug zum Kindergeburtstag-Hit hat oder in der beatlastigen Disco-Nummer „Girl Gone Wild“, die textlich an den Cyndie-Laupter-Klassiker „Girls just wanna have fun“ gemahnt und zur neuen Hymne für Polterabende kreischender Junggesellinnen werden könnte.
Aber mit dem Girly-Image allein verkaufen sich noch keine Alben – das weiß niemand besser als die skandalerprobte Madonna, die bereits als Jungfrau im sexy Brautkleid schockierte, vor brennenden Kreuzen tanzte, Einblicke in ihre sexuellen Vorlieben gab oder medienwirksam mit Britney Spears und Christina Aguilera züngelte. Und so ist auch „MDNA“ nicht frei von Aufregern, die nach dem altbewährten Madonna-Muster gestrickt sind. In „I‘m a Sinner“ outet sich die Pop-Königin freimütig als Sünderin – und sinniert woo-oo-lastig über Jesus. Hat schließlich schon bei „Like a Prayer“ funktioniert – doch dieses Mal geht die Rechnung nicht auf. Die musikalische Selbstkopie kommt leider nicht ans Original heran. Aber glaubt man der Plattenmillionärin, dann ist ihr das sowieso total schnuppe. Schließlich bekennt sie in „I don‘t give a ...“ rotzfrech, dass ihr egal ist, was die Leute über sie denken. Singt‘s und lässt Songpartnerin Nicki Minaj „There‘s only one queen and that‘s Madonna, Bitch“ tönen. Das muss schließlich auch einmal gesagt werden – und klingt natürlich super aus dem Mund einer 29-Jährigen, mit deren Hilfe der Nachwuchs ins Boot geholt werden soll.
Und so darf die rappende R‘n‘B-Expertin gemeinsam mit Chartstürmerin M.I.A. auch bei der vorab veröffentlichten Single „Give me all your luvin‘“ die Stimme erheben – und mit der Königin durchs Video hopsen. Dass dafür das verstaubte Brautkleid von „Like a Virgin“ ausgegraben wurde, ist dann weniger schmissig. Und auch das gigantische Gold-Kreuz, das sich Madonna in den Leoparden-BH baumeln lässt, hinterlässt einen peinlichen Nachgeschmack. Apropos peinlich – ausgerechnet in der Nummer „Superstar“, die akustisch an einen nervigen Klingelton erinnert, lässt die vierfache Mama ihre älteste Tochter Lourdes mitmischen. Ihr Glück – wenn‘s nicht im Booklet stehen würde, käme man eh nicht drauf. Den hypnotisch-beatlastigen Song „Gang Bang“ schaukelt Madonna dafür allein und bangbangt dabei zum Sound von Pistolenschüssen ihrem Verflossenen gnadenlos eine Kugel in den Kopf. Muss Guy Ritchie etwa Angst haben?
Nein, ist ja nur Musik. Und Madonna auch nur eine Frau, die ihre Brötchen verdienen will. In den USA bleibt der neueste Wurf allerdings hinter den Erwartungen zurück und auch hierzulande verkauft sich die erste Single-Auskoppelung „Give me all your luvin‘“ mehr schlecht als recht. Hat Madonna etwa ausgedient? Dafür spräche die Tatsache, dass der Kartenvorverkauf für ihren Wien-Gig am 29. Juli im Ernst-Happel-Stadion ebenfalls nur schleppend vorangeht. Monarchen von heute haben‘s eben nicht leicht.