Spätstarter punkten im Studium
Es gibt viele Gründe für ein spätes Studium. Um in der Ausbildung erfolgreich zu sein, braucht man aber ein gutes Zeit-, Berufs- und Familienmanagement.
Von Ernst Spreng
Innsbruck –Die Landeckerin Anna Stefanitsch ist eine von Tausenden Tirolerinnen und Tirolern, die sich jährlich aus dem aktiven Berufsleben heraus den Traum erfüllen, noch einmal ein Studium zu absolvieren. Nach einem halben Jahr Betriebswirtschaft ist sie nun bei den Politikwissenschaften an der Uni Innsbruck gelandet. Und fühlt sich mit ihrer Entscheidung, noch einmal zu studieren, sichtlich wohl. „Grundvoraussetzung war das Einverständnis meines Arbeitgebers und sein Entgegenkommen, meine Arbeitszeit etwas zu reduzieren“, erklärt Anna ihre ersten Schritte. „Damit war der Weg frei. Ich wollte einfach noch einmal etwas Neues lernen und erfahren. Das ist meine Motivation.“
Jährlich erfüllen sich viele Menschen in Tirol den Traum eines späten Studiums – ob an der Universität oder an einer der Fachhochschulen. 2011 nutzten beispielsweise rund 1400 Tiroler die Möglichkeit der Bildungskarenz, um zumindest einen Teil des Studiums zu finanzieren. Meistens sind es 25- bis 35-Jährige, die es noch einmal wissen wollen. Nach 35 sinkt die Zahl jener, die Beruf und Studium zu vereinen versuchen. Beispiele gibt es aber auch in höherem Alter genug. Die Gründe für ein spätes Studium neben dem Beruf sind zweigeteilt: Die einen brauchen es für ihr berufliches Weiterkommen in ihrer Firma. Die anderen suchen eine neue Herausforderung bzw. ein neues Aufgabenfeld in ihrem beruflichen Leben.
So einfach es klingen mag, aber Bildungsexperten raten in einem ersten Schritt dazu, sich ganz genau zu überlegen, warum und was man studieren möchte. Dieser Prozess der Findung und des Vergleichs der Angebote ist wesentlich, um Beruf und Studium in weiterer Folge unter einen Hut zu bekommen. Die Kombination von Beruf und Studium ist nicht einfach. Drei wesentliche Fragen quälen jeden, der neben dem Beruf ein Studium anfängt: Kann ich mir die Ausbildung finanzieren? Wie passt mein Studium in mein soziales Umfeld aus Familie, Partner und Freundschaften? Und das Wichtigste: Wie reagiert mein Arbeitgeber?
Siegfried Walch, am MCI Innsbruck zuständig für das Vollzeitstudium „Nonprofit, Social & Health Care Management“, hat jedes Jahr zahlreiche Bewerber, die sich auch an ein Vollzeitstudium wagen. „Zwischen 25 und 35 Jahren schaffen es die meisten, auch ein Bachelor-Studium in Vollzeit zu finanzieren und mit ihrer Lebenssituation in Einklang zu bringen. Je älter man ist, umso schwerer wird das natürlich. Für uns als Fachhochschule sind diese Spätberufenen aber ein echter Gewinn.“ Walch sieht hier ein Wechselspiel. Jene Studierenden, die gleich nach der Matura ans MCI kommen, profitieren von der Berufserfahrung der älteren Studenten. Und jene, die ein spätes Studium wagen, können ihre Träume gemeinsam mit den jungen Menschen noch einmal aufladen.
Die Frage, ob man ein Vollzeitstudium wählt oder berufsbegleitend studiert, hängt wesentlich von der Flexibilität des derzeitigen Berufes und von der Finanzierbarkeit ab. „Prinzipiell ist ein Vollzeitstudium die einfachere Variante und ist mit Nebenjobs vereinbar. Man hat einfach den Kopf freier für das Neue“, erklärt Johannes Lüthi, Rektor der FH Kufstein. Angebote für Vollzeitstudien und berufsbegleitende Studien gibt es in Tirol viele. Bei beiden Varianten ist das Zeitmanagement ein entscheidender Faktor. Ob Universität oder Fachhochschule, die Bachelor-Studien sind genau geregelt und in jedem Fall muss der Studierende mit einem Zeitaufwand von rund 1500 Stunden pro Studienjahr rechnen. „Die Entscheidung für ein spätes Studium aus dem Beruf heraus ist eine sehr bewusste“, erzählt Johannes Lüthi. „Dennoch ist auch die Drop-out-Rate bei diesen Menschen höher. Das hat in den meisten Fällen nichts mit nicht bestandenen Prüfungen zu tun.“ Vielmehr sind es meistens die Lebensumstände, die sich ändern und zum Aufgeben zwingen. „Die Familiensituation ändert sich oder man bekommt beruflich genau jene Chance, auf die man gewartet hat“, erklärt Lüthi, warum es bei manchem dann doch nicht funktioniert.
Als oft genannte erste Hürden an Fachhochschulen wartet ein Auswahlverfahren. Davor sollten Spätberufene keine Angst haben, meint Siegfried Walch vom MCI. „Bei der Auswahl gibt es drei Kriterien: Lebenslauf, Prüfung und persönliches Gespräch. Gerade beim Lebenslauf und dem persönlichen Gespräch können Spätberufene mit ihrer Lebenserfahrung wesentlich punkten“, so Walch. Er rät dazu, umfassende Lebensläufe abzugeben und sich für das persönliche Gespräch zu überlegen, welchen Beitrag man in das Studium einbringen kann. Mit eingebrachter Lebenserfahrung sammelt man Pluspunkte für das Auswahlverfahren.
Für einen kompletten Umstieg von Beruf auf Studium entscheiden sich nur wenige. Für die FH Kufstein beziffert Johannes Lüthi den Anteil der Vollzeitstudenten, die aus dem Berufsleben aussteigen, mit 0 bis 20 Prozent pro Jahr. Die meisten wählen den oft steinigen Weg, Beruf, soziales Leben und Studium unter einen Hut zu bringen. Die Bildungskarenz, die bis zu zwölf Monate die nötige finanzielle Sicherheit geben kann, wird dabei oft am Ende des Studiums genutzt, um sich voll und ganz auf die letzten Prüfungen zu konzentrieren. Grundvoraussetzung ist hier das Einverständnis des Arbeitsgebers. Genau informieren sollte man sich über die Möglichkeiten des Selbsterhalter-Stipendiums, bei dem es allerdings eine Altersgrenze gibt. Für jene, die in späteren Jahren ihr Masterstudium neben dem Beruf wagen wollen, hat Johannes Lüthi eine gute Nachricht. „Das neue Fachhochschulgesetz bietet nun zum ersten Mal den Rahmen, Masterstudien zeitlich zu entzerren. Das Gesetz ist gerade einmal einige Wochen alt, an der FH Kufstein werden wir jetzt erst einmal prüfen, ob es hier auch einen Bedarf gibt, die Masterstudien zeitlich zu dehnen“, meint der FH-Rektor aus Kufstein.