Das Farbenspiel von Steinen in der Sonne

Alle Welt schwelgt in rauschenden Farbtönen von Pastell bis knallig und doch nimmt Grau in all seinen Schattierungen immer mehr Platz ein, wenn es um Innenarchitektur und Design geht. Dort wird mit der so genannten „unbunten Farbe“ Spannung erzeugt. Aber Grau muss behutsam eingesetzt werden.

Von Ursula Philadelphy

Sichtbetonwände gelten schon länger als Hype, ebenso wie Steinwälle neuerdings als Garteneinfassung das Sagen haben – egal ob in Drahtkörben oder als echter Wall. Betonböden, Betonmöbel, Arbeitsplatten aus Beton, Schiefer oder Granit. Steingrau, in welcher Farbvariation auch immer, erobert die Wohnräume.

Ein Trend, der aber extrem viel Fingerspitzengefühl erfordert, um nicht im absoluten Desaster zu enden, denn Grau ist schwierig. Sehr schwierig sogar. Nicht umsonst gilt Grau als Farbe ohne Charakter und ist keineswegs die Mitte zwischen Schwarz und Weiß. Es gibt unwahrscheinlich viele Grauschattierungen, aber absolut kein reines Grau. Die Natur macht es uns vor, man muss nur einen in der Sonne liegenden Geröllhang oder einen Schotterweg genauer betrachten.

Was die Wahl von grauem Interieur außerdem noch schwierig macht, jenseits der rein farbtechnischen und kombinatorischen Aspekte, sind die Assoziationen, die damit verbunden sind: Sie sind nahezu allesamt eher negativ besetzt. Egal, ob es sich um Grauzonen handelt, graue Energie, graue Märkte, die graue Vorzeit, graue Importe oder graue Eminenzen.

Warum hat die Farbe Grau aber trotzdem ihren Reiz? Ist es ihre Vielschichtigkeit? Oder ihre Flexibilität? Oder ihre Eleganz? Wohl etwas von allem, denn wenn man den richtigen Ton mit den passenden anderen Farben kombiniert, kann man ein wahnsinnig elegantes Ambiente kreieren. Man kann aber auch, quasi mit links, einem bunten Blumenstrauß zu einer nie geahnten Farbpracht verhelfen oder bunte Sessel vor einer grauen Wand noch fröhlicher wirken lassen.

Wirklich verwundern darf einen ja der Trend zu grauen Einrichtungsgegenständen nicht, denn zunehmend entwickeln Architekten wieder, wie bereits um die vorvergangene Jahrhundertwende, die Tendenz, auch die Inneneinrichtung zu gestalten. Schließlich wird den Herrschaften eine gewisse Angst vor Farben nachgesagt, sie kleiden sich gerne in existenzialistischem Schwarz und bauen mit grauem Beton. Da liegt eine farbtechnische Fortsetzung im Hausinneren in Grauschattierungen irgendwie nahe.

Johannes Ittens Farbenlehre aus der Bauhaus-Ära hat Grau zwar zur „unbunten Farbe“ gemacht, lässt aber mit einer interessanten These aufhorchen. Wenn nämlich unbunte Farben an bunte mit der gleichen Helligkeit grenzen, so verlieren sie ihren unbunten Charakter. Will man nun den unbunten Charakter bewahren, muss man die Helligkeit verändern, wodurch man andererseits aber auch wieder mehr Plastizität erreichen kann. Was für die Malerei gilt – Itten hat viele Beispiele aus der Kunst zitiert – ist natürlich auch im Designbereich ein Thema und macht Innenarchitektur mit Grau durchaus spannend.

Man muss nur zuerst darauf achten, ob der Grauton lilastichig, braunstichig oder blaustichig ist, um nicht mit den falschen Farben zu kombinieren. Braunstichiges Grau ist besonders schwierig, denn man neigt automatisch dazu, Braun- und Beigetöne zu verwenden, was leicht sehr langweilig sein kann.

Umgelegt auf die moderne Architektur und Innenarchitektur sind Farbspiele zwischen Grau, Weiß und Schwarz sehr gängig. Agape präsentiert seine Bäder aktuell vor grauen Wänden. Weiße Badewannen und Waschbecken kommen so wunderbar zur Geltung und werden dann auch in der Realität so umgesetzt. Aber auch grüne Pflanzen und bunte Blumen erhalten dadurch einen Extrakick.

Ikea setzt nach leuchtendem Rot und Grün auf eine Küche in sattem Grau. Treca und Paolo Piva haben sich , wie viele andere auch, für Grauschattierungen im Schlafzimmer entschieden, wobei die Wahl nicht nur die Betten betrifft sondern auch bei Überwürfen und Decken Anklang findet. Aber auch Cassina hat bei der Präsentation der Outdoorvariante von Le Corbusiers Sessel eine graue Version präsentiert. Grau ist also durchaus eine Überlegung wert.