Wirtschaftspolitik

Spanien fiebert Generalstreik entgegen

Derzeit spricht sich die Mehrheit der Spanier gegen den Generalstreik aus, der am 29. März stattfinden soll. Wirtschaftsexperten weisen auf die Notwendigkeit einer Arbeitsmarktreform hin.

Von Manuel Meyer, APA

Madrid – In der Madrider Lokalfiliale des spanischen Gewerkschaftsverbands CCOO herrscht reger Betrieb: Telefone klingeln ohne Pause. Pins, kleine Plastikfahnen und Plakate werden verpackt, um an Zweigstellen in Madrider Vororten verteilt werden zu können. Die Vorbereitungen auf den landesweiten Generalstreik am 29. März laufen auf Hochtouren. Es gibt kaum eine Straße oder Häuserwand in der spanischen Hauptstadt, die derzeit kein Plakat zum Streikaufruf ziert.

„Ein Generalstreik, zu dem nicht wir, sondern Ministerpräsident Mariano Rajoy mit seiner Arbeitsmarktreform und seiner Weigerung, mit uns zu verhandeln, aufgerufen hat. Wir haben nur das Datum bestimmt“, erklärt Javier Lopez, Generalsekretär der Hauptstadtfiliale des Gewerkschaftsverbandes CCOO, im APA-Gespräch. Der Gewerkschaftsführer bezeichnet die im Februar von der neuen konservativen Regierung per Dekret verabschiedete Arbeitsmarktreform, die vor zwei Wochen auch vom Parlament bestätigt wurde, als einen „regelrechten Jobkiller“. Die Reform sei fast ausschließlich darauf angelegt, den Kündigungsschutz und Abfertigungen in Spanien zu reduzieren. „Deshalb rechnen wir mit einer massenhaften Beteiligung“, so Lopez.

67 Prozent gegen Generalstreik

Ob der Aufruf zum Generalstreik in einer Woche wirklich so massenhaft von den Spaniern befolgt wird, bleibt allerdings abzuwarten. Laut einer Umfrage der Zeitung „El Pais“ sprechen sich rund 67 Prozent der Spanier derzeit gegen einen Generalstreik aus, auch wenn sie die Arbeitsmarktreform der konservativen Regierung mehrheitlich ablehnen. „Bei einer so lange anhaltenden Wirtschaftskrise und einer Arbeitslosenquote von mittlerweile 22,9 Prozent wollen die Spanier arbeiten, nicht streiken“, erklärt auch der spanische Soziologe Roberto Barbeito gegenüber der APA.

Bereits der letzte Generalstreik im September 2010 gegen die noch vergleichsweise harmlose Arbeitsmarktreform der sozialistischen Vorgängerregierung von Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero wurde nicht zu einem massiven Protest. Zwar sprachen die beiden größten spanischen Gewerkschaftsverbände UGT und CCOO damals von einem „Erfolg“ und einer landesweiten Beteiligung von rund 70 Prozent der Beschäftigten. Doch tatsächlich folgten längst nicht so viele Spanier dem Aufruf zur Arbeitsniederlegung wie erwartet. Nur Sektoren der Wirtschaft konnten lahmgelegt werden, in denen die Gewerkschaften traditionell am meisten Einfluss haben, wie in der Automobilindustrie sowie im Bahn- und Busverkehr. Die meisten Geschäfte, Kaufhäuser, Gaststätten und Banken waren normal geöffnet.

Dass auch der Generalstreik am kommenden Donnerstag weniger massenhaft ausfallen könnte wie erwartet, zeigten bereits die Kundgebungen am vergangenen Sonntag in mehr als 60 spanischen Städten. Gewerkschaftsführer Javier Lopez geht dennoch für kommenden Donnerstag von einer großen Beteiligung am Generalstreik aus. Er weist daraufhin, dass sogar Ministerpräsident Rajoy selber zugab, die Arbeitsmarktreform werde bis Ende des Jahres rund 630.000 Jobs vernichten. „Deswegen ist es so notwendig, jetzt auf die Straße zu gehen. Wir müssen die Regierung zwingen, zurückzurudern“, insistiert Lopez.

Expertin: Arbeitsmarktreform „absolut notwendig und positiv

Es stimme, dass die Arbeitsmarktreform zunächst viele Jobs kosten werde, da viele Unternehmen nur darauf gewartet hätten, Angestellte leichter und kostengünstiger entlassen zu können, gibt auch Gayle Allard zu. „Dennoch wird die Reform mit ihren steuerlichen Anreizen zur Einstellung von jugendlichen Arbeitssuchenden und Langzeitarbeitslosen nach der Rezession die Firmen wieder animieren, vermehrt neue Jobs anzubieten“, ist sich die Wirtschaftsexpertin von der Madrider IE Business School sicher. Vor allem würden durch die Reform vertraglich bessere Jobausschreibungen mit Festeinstellungen entstehen, sagt Allard, die die Arbeitsmarktreform als „absolut notwendig und positiv“ bezeichnet.

Die Kritik der Gewerkschaften, die Reform konzentriere sich lediglich auf die Verminderung des Kündigungsschutzes, teilt die Wirtschaftsexpertin nicht: „Die Reform deckt auch die Unterstützung von Arbeitslosen, die Ausbildung von Angestellten sowie steuerliche Anreize zur Einstellung von Arbeitssuchenden ab. Vor allem aber wird die Arbeitsmarktreform die Qualität der Jobangebote verbessern, da sie die ständige Erneuerung von befristeten Zeitverträgen in Zukunft unterbinden wird.“ Den Aufruf der Gewerkschaften kritisiert sie als reine „Demagogie“. „Wir wissen alle, dass das bisherige Arbeitsmarktsystem nicht funktioniert. Die Gewerkschaften verteidigen vor allem ihre Daseinsberechtigung und ihre Mitglieder, spanische Männer mittleren Alters und älter mit Festverträgen. Jugendliche, Frauen und Einwanderer jedoch haben im derzeitigen System nur Nachteile“, so die Expertin von der IE Business School gegenüber der APA.

Sie bezweifelt, dass die Regierung dem Druck eines Generalstreiks nachgeben wird. „Das kann sie auch gar nicht, will sie die von der EU vorgegebenen Wirtschaftsziele erreichen“, erklärt Gallard. Das einzige, was der Generalstreik bewirken werde, sollte er massenhaft und vielleicht sogar gewalttätig werden, sei, dem Image Spaniens auf den internationalen Finanzmärkten erneut zu schaden. „Und dann wird es richtig schwer werden, aus der Krise zu kommen“, so die Wirtschaftsexpertin.