Echo 2012: Tränen, Knutscherei und ein Preis für Andreas Gabalier
Die Promi-Dichte war hoch: In Berlin wurde der deutsche Musikpreis Echo verliehen. Die Moderatorinnen küssten sich wie Madonna und Britney Spears. Udo Lindenberg und die Metal-Band Rammstein konnten gleich zwei der begehrten Preise einheimsen. Auch Andreas Gabalier wurde ausgezeichnet.
Berlin - BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken schossen Tränen in die Augen, Barbara Schöneberger und Ina Müller knutschten wie Madonna und Britney und Schockrocker Marilyn Manson ließ es mit Rammstein krachen. Der Österreicher Andreas Gabalier wurde in der Kategorie „Volkstümliche Musik“ ausgezeichnet. Der Echo, Deutschlands wichtigste Musikpreisverleihung, vereinte am Donnerstagabend vom Mundartrock über Schlager bis zum Metal fast alle Genres - aber wenige Zuschauer vor dem Bildschirm. Nur 2,58 Millionen Menschen schauten sich die gut zweieinhalbstündige Gala-Übertragung aus Berlin in der ARD an - eine Million weniger als 2011.
Diesmal gab es keinen einzelnen Abräumer, dafür Preise im Doppelpack - so wie für Altmeister Udo Lindenberg. Sein Kommentar: „Hinterm Lebenswerk geht es weiter, und wie das weitergeht. Das ist einfach gigantisch, yeah!“
Niedecken meldet sich nach seinem Schlaganfall zurück
Für BAP-Frontmann Niedecken war die Show der erste große Auftritt nach seinem Schlaganfall im November. „Junge, Junge, du hast uns neulich einen richtigen Schrecken eingejagt“, sagte sein Freund, der Filmregisseur Wim Wenders. Tote-Hosen-Frontmann Campino würdigte Niedeckens Lebenswerk, der 60-Jährige dankte seinem Schutzengel. „Wir machen weiterhin Musik“, versprach der Kölner den Fans der „kleinen, wunderbaren, mittelständischen Rock-‘n‘-Roll-Kapelle“. Zum Finale kamen etliche Kollegen zu BAP auf die Bühne und sangen mit Niedecken deren größten Hit „Verdamp lang her“ - das sentimentale I-Tüpfelchen.
Beim Echo mit seinen vielen Kategorien war für jeden was dabei. Deutschlands „Star für Baku“, Roman Lob, kam, sang (und siegte aber noch nicht), dafür räumte der smarte Newcomer Tim Bendzko ab, Rammstein gleich zweimal, ebenso wie Soul-Größe Adele, die jedoch nicht angereist war. In Abwesenheit wurden in der Messe Berlin auch Bruno Mars und Rosenstolz geehrt.
Rapper Casper („XOXO“) war vierfach im Rennen und nahm einen Preis als bester Hip-Hop-Künstler mit nach Hause. Großer Beifall. Casper gilt als Beweis, dass unter deutschen Rappern intelligentes Leben möglich ist. Der Hit des Jahres? „Somebody That I Used To Know“ von Sting-Thronfolger Gotye.
Die Show startete mit einem Medley junger deutscher Musiker, das bewies, dass sich in der Nachwuchsförderung hierzulande einiges getan hat. „Was für ein schöner Donnerstag“, jubelte Moderatorin Schöneberger, eine Anspielung auf einen Satz des frisch gewählten Bundespräsidenten Joachim Gauck („Was für ein schöner Sonntag!“).
Gespielter Skandalkuss
Die Doppelmoderation Schöneberger/Müller kam gemischt an. Viele Zuschauer in der Halle amüsierten sich über den gespielten Skandalkuss, mit dem die beiden Blondinen auf die MTV Video Music Awards von 2003 anspielten. Laut und locker frotzelte sich das Duo durch den Abend. Marilyn Manson brauche mehr Zeit im Bad als Society-Lady Ute Ohoven, sagte Schöneberger.
Ina Müller bekam auch zwei Echos und bedankte sich für den Preis in der Sparte Rock/Pop bei ihren Ex-Freunden und Affären. Die Trophäe für die NDR-Sendung „Inas Nacht“ klemmte in Schönebergers Handtasche fest, was etliche Lacher erntete.
Einige Fernsehzuschauer wunderten sich, warum die beiden plötzlich mit verschmierten Gesichtern herumliefen - den Gag, nach dem Pyrotechnik-Auftritt von Kraftklub Ruß im Gesicht zu haben, verstand nicht jeder. Mancher Kritiker bemängelte, die beiden Moderatorinnen/Sängerinnen seien sich zu ähnlich, zu wenig kontrastreich, ihre Witze zu aufgesetzt.
Katy Perry im „Discoball-Kleid“
Es gab viel zu gucken beim Echo: Katy Perry erschien in einem Hybrid aus Glitzer-Robe und Gymnastikanzug. Nachwuchs-Soulstar Dionne Bromfield überzeugte mit einem Song ihrer gestorbenen Patentante Amy Winehouse, neben ihr Kolleginnen wie „Voice“-Gewinnerin Ivy Quainoo und Aura Dione. Lana Del Rey hielt ihren Schmollmund ans Mikro und hauchte ihren Internet-Hit „Video Games“. Einen Preis bekam die Amerikanerin aber nicht. Bester Newcomer wurde die Holländerin Caro Emerald. Die gut gebräunten Casting-Stars Pietro Lombardi und Sarah Engels, beide unter den Nominierten, kuschelten miteinander.
Einen echten Skandal bot die Show, die in viel buntes Licht getaucht war, eigentlich nicht. Dafür war die Promi-Dichte für deutsche Verhältnisse hoch, das Musikprogramm dicht gefüllt.
Aber nicht allen gefiel es: „Echo ist übertrieben langweilig, deswegen sitzen wir schon im Restaurant!!!“, twitterte Rapper Bushido, der mit seinem Ex-Feind Sido für das beste Video ausgezeichnet worden war. Bei seiner Dankesrede hatte Sido erwartungsgemäß gegen das Establishment gestänkert und sich den länglichen Echo-Preis wie einen Phallus an den Schritt gehalten - auch schon längst kein Skandal mehr. (APA/dpa)
Eine Auswahl der Echo-Gewinner
- Album des Jahres: Adele („21“)
- Künstler national Rock/Pop: Udo Lindenberg
- Künstler international Rock/Pop: Bruno Mars
- Künstlerin national Rock/Pop: Ina Müller
- Künstlerin international Rock/Pop: Adele
- Gruppe national Rock/Pop: Rosenstolz
- Gruppe international Rock/Pop: Coldplay
- Deutschsprachiger Schlager: Helene Fischer
- Volkstümliche Musik: Andreas Gabalier
- HipHop/Urban: Casper
- Club/Dance national: David Guetta
- Gruppe Rock/Alternative national: Rammstein
- Gruppe Rock/Alternative international: Red Hot Chili Peppers
- Crossover: Michael Bublé
- Newcomer national: Tim Bendzko
- Newcomer international: Caro Emerald
- Hit des Jahres: Gotye ft. Kimbra („Somebody That I Used To Know“)
- Bestes Video national: 23
- Radio-Echo: Jupiter Jones
- Produzent national: Andreas Herbig, Henrik Menzel, Peter Seifert für Udo Lindenberg und Andreas Bourani
- Kritikerpreis: Modeselektor
- Lebenswerk: Wolfgang Niedecken
- Ehren-Echo soziales Engagement: Unheilig
- Hall Of Fame: Whitney Houston, Amy Winehouse