ORF-Direktorin Zechner eröffnet Wettbewerb der TV-Formate
Das ORF-Programm steht vor einer größeren Reform: So sollen die „ORF eins“-Hauptabende am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag umgestellt werden. Auf Platz eins der Prioritätenliste steht der Vorabend. TV-Direktorin Zechner könnte unter anderem einen neuen Versuch mit einer österreichischen Daily Soap wagen. Bis Juni werden dafür kreative Ideen gesucht.
Wien - Programmentwickler im und außerhalb des ORF bekommen demnächst jede Menge zu tun. TV-Direktorin Kathrin Zechner hat ihre Evaluierungsphase und Konkurrenzbeobachtung abgeschlossen und läutet ab sofort die Kreativphase ein. Entwickelt werden bis Anfang Juni in einer Art Wettbewerb zwischen verschiedenen Teams neue Formatideen.
„Donnerstag-Nacht“ am Dienstag
Im Focus steht der Vorabend auf ORF eins. Neu aufgestellt werden aber auch - fußballbedingt - der Dienstag-, Mittwoch- und Donnerstag-Hauptabend. Die Dienstag-Nacht soll die neue Donnerstag-Nacht werden, angereichert mit einer Sitcom, der Mittwoch soll neben österreichischer Fiktion auch eine Dokusoap, eine Reportagereihe sowie einen Doku-Termin bekommen und der Donnerstag wird mit der Fußball-Europa-League und internationaler männlicher Fiktion zum „Herrenabend“, wie Zechner im APA-Interview ankündigte.
Vor allem drei Erkenntnisse sind es, die Zechner aus der rund drei Monate dauernden Konkurrenzbeobachtung gewonnen hat: Die deutschen Konkurrenten und hier vor allem ProSieben, RTL und Sat 1, „haben ein ungleich höheres Budget“. Sie binden ihr Publikum außerdem „ab spätestens Mittag mit einem absolut verlässlichen Programm-Flow“, den der ORF aufgrund von unregelmäßigen Sportereignissen und Parallelprogrammierungen von Koproduktionen nicht bieten kann, und das „mit einer Programmfarbe, die der ORF als Triple-A-Sender nicht senden kann und will“.
„Die drei wirklich harten Herausforderungen, denen wir uns nun stellen müssen, lauten: Welches Budget können wir freischaufeln, umschichten oder effizienter einsetzen? Welche Formate gibt es, die einem Triple-A-Sender entsprechen? Und wie bieten wir die größtmögliche Verlässlichkeit in der Programmierung, die es uns dennoch ermöglicht, unsere Premium-Sportformate im Programm zu halten und auch gleichzeitige Ausstrahlungen von Koproduktionen zu gewährleisten“, so Zechner.
Neuaufstellung der „ORF eins“-Hauptabende
Die Antwort lautet: Neuaufstellung der ORF eins-Hauptabende am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag. Am Dienstag soll neben zwei österreichischen Serien (derzeit „Schnell ermittelt“ und „Vier Frauen und ein Todesfall“) eine Sitcom zu sehen sein, die dann in die Comedyschiene, die ehemalige Donnerstagnacht, überleitet. „Wir bauen den Dienstag als Österreich-Tag mit Eigenproduktionen noch weiter aus“, so Zechner. Der Mittwoch-Hauptabend soll Platz bieten für österreichische und koproduzierte Fiktion, außerdem wünscht sich Zechner eine regelmäßige Dokusoap. Geplant ist außerdem eine Reportagereihe über die Lebenswelten der Jungen sowie - und das liegt Zechner besonders am Herzen - ein Dokumentationstermin auf ORF eins.
Keine Champions League mehr im ORF
Der Donnerstag wird der neue Mittwoch: Nachdem der ORF den Champions-League-Vertrag nicht verlängert hat, und stattdessen ab Herbst die Europa League zeigt, die jeweils Donnerstags läuft und laut ORF mehr Österreich-Relevanz besitzt, wird dieser Abend männlich positioniert. Neben Fußball werden internationale, actionorientierte Filme gespielt.
Neuer Daily-Soap-Versuch im Vorabend
Insgesamt will Zechner das ORF-Programm von Herbst 2012 bis Juni 2014 in vier Etappen neu aufstellen. Auf Platz eins der Prioritätenliste steht der ORF eins Vorabend, der „eine unverwechselbare Handschrift tragen, eigenproduziert und österreichisch“ sein soll, so die Direktorin. Um das bestmögliche Programm zu bekommen, hat Zechner einen Kreativ-Wettbewerb eingeläutet, bei dem hauseigene sowie externe Teams neue Ideen für verschiedene Formatgenres - von einer Daily-Soap über Reality-Formate, Doku-Soaps, Infotainment bis hin zur Information - entwickeln.
„Wir legen den Fokus dabei auf zwei Punkte: Nur die besten Ideen dürfen überleben und sie müssen leistbar sein.“ Sicher werde man mehr entwickeln und pilotieren, als im Endeffekt on Air gehen wird, „aber es geht darum, mit den besten Teams die besten Konzepte zu entwickeln und danach auszuwählen“. Übrigens nehmen auch bestehende Formate an dem Wettbewerb teil - so etwa Dominic Heinzls „Chili“.
Landesstudios werden in die Pflicht genommen
Auch die Landesstudios werden von Zechner für ORF eins in die Pflicht genommen: Entwickelt wird eine „Live-Strecke“ aus den Landesstudios. „Ich will den Landesstudios ermöglichen, zusätzlich zu ORF 2 auch im jungen ORF eins regelmäßig ihre Top-Info-Kompetenz zu zeigen“, so Zechner. Die Durchschaltung der „Zeit im Bild“ ist für Zechner „zur Zeit kein Thema“.
Auch wenn ein Kreativprozess grundsätzlich im Zeitablauf schwer steuerbar sei, hofft Zechner, dass diese Phase bis Ende Mai, Anfang Juni abgeschlossen sein wird, so dass sie dann „mit der Finanzdirektion abrechnen“ kann und die neuen Formate im September, Oktober oder November on Air gehen können. Eng arbeitet die TV-Direktorin derzeit mit dem Kaufmännischen Direktor Richard Grasl zusammen, der letztendlich das Budget für die Programmideen freigeben muss. „Es ist ein gemeinsames Ringen“, beschreibt es Zechner. „Meine oberste Priorität ist das Programm, seine die Effizienz, daraus ergibt sich ein logisches, aber konstruktives Ringen. Letztendlich verfolgen wir ja ein gemeinsames Ziel, das vom Generaldirektor (Anm. Alexander Wrabetz) vorgegeben und sehr gut moderiert wird.“
Kathrin Zechners Motto lautet jedenfalls: „Wo auch immer ich finanzieren kann, ist eigenproduziertes neues Programm dran.“ Neuerungen gibt es diesbezüglich übrigens nicht nur auf ORF eins. Zechner plant etwa auch für den Donnerstagabend auf ORF 2 eine neue eigenproduzierte Fiktion-Serie, allerdings mit der Einschränkung, dass man sich das „sicher nicht durchgehend leisten kann“ Zunächst ist dieser Sendeplatz aber dank des Nachlasses von Wolfgang Lorenz gesichert. Ab Herbst soll hier „Paul Kemp - Der Mediator“ mit Harald Krassnitzer ausgestrahlt werden. (APA)