Tirol ist toll, doch Pozuzo ruft
Eine junge Frau aus der Kolonistensiedlung Pozuzo lernt Tirol kennen – die Heimat ihrer Vorfahren. Doch ihre Zukunft sieht die medizinische Laborantin in Peru.
Von Helmut Wenzel
St. Anton, Pozuzo –Aufgewachsen ist Kimberlyn Ballesteros-Schuler im Weiler Yanahuanca. Die Siedlung liegt in der Nähe von Pozuzo, Hauptort im gleichnamigen Distrikt am Ostrand der Anden. Ihr Familienname Schuler ist ein klarer Hinweis, dass einer ihrer Vorfahren 1857 oder 1868 aus dem Tiroler Oberland gekommen ist. Nur bestätigen kann es die 24-Jährige nicht – sie hat keine Unterlagen zur Ahnenforschung gefunden. Dennoch weiß sie: In Yanahuanca leben weitere Familien mit Tiroler Namen wie Köhle, Rofner, Schmid, König und Randolf.
„In meiner Region haben die meisten Familien eine Landwirtschaft“, erzählt sie, „meine Eltern besitzen ein einfaches Haus mit Kühen, Schafen und Schweinen.“ Stolz ist sie auf ihre Katzenfamilie und drei Hunde. Auf den Feldern in der Umgebung erntet ihre Familie Mais, Reis, Bananen und Kaffee. „Man kann ein bescheidenes Leben führen.“ Spezielle Hobbys hat sie kaum. „Ich bin kein Party-Typ. Manchmal höre ich gerne Musik, aus Peru und auch Lieder aus Tirol.“
Dass Kimberlyn derzeit fünf Monate in St. Anton am Arlberg verbringen darf, verdankt sie dem Pozuzo-Freundeskreis und ihrer Gastfamilie Wasle. „Es ist mein erster Aufenthalt in Tirol und ich bin sehr beeindruckt“, verrät die junge Frau in gutem Deutsch. Herzlich aufgenommen fühlt sie sich im Verein der Tiroler Pozuzo-Freunde in Silz, wo sie kürzlich die Vollversammlung besucht hat und viele neue Kontakte knüpfen konnte. „Die tolle Gastfreundschaft wird mir den Abschied aus Tirol etwas schwer machen“, befürchtet sie.
Vorerst nutzt Kimberlyn aber die Gelegenheit, ihre Deutschkenntnisse zu verbessern und Tirol kennen zu lernen. Täglich besucht sie in Innsbruck einen Kurs für Fortgeschrittene. Im Moment schlagen zwei Herzen in ihrer Brust: „Ich kann nur sagen, dass ich sehr gerne hier bleiben und Medizin studieren würde. Aber ich muss zurück nach Pozuzo, dort warten noch viele Aufgaben auf mich.“
In Lima hat die junge Dame eine dreijährige Ausbildung zur medizinischen Laborantin gemacht und Praktika absolviert. Sie darf zum Beispiel Blut abnehmen, Spritzen geben sowie die Patienten auf Pilze und Bakterien untersuchen. Bei den Hygienestandards habe Peru im Vergleich zu Tirol noch einiges an Nachholbedarf, ist sie überzeugt. Ihr ganz großes Berufsziel, Tierärztin, stellt sie vorerst zurück, auch aus finanziellen Gründen.
Nebenbei hat Kimberlyn auch den Umgang mit dem Personalcomputer und mit Windows gelernt, was in ihrer Heimatregion keine Selbstverständlichkeit ist. Was sie nach ihrer Rückkehr in Pozuzo machen wird, steht noch nicht genau fest. „Wahrscheinlich werde ich meinen Beruf im Krankenhaus San Camillo ausüben. Dort gibt es ja immer viel zu tun“, sagt sie.
Darüber hinaus möchte die engagierte Dame im Silzer Pozuzo-Verein und auch im Partner-Verein in ihrer Heimat aktiv sein, um die „tolle transatlantische Freundschaft“ weiter zu pflegen.