Französische Pressestimmen zur ersten Runde der Präsidentschaftswahl

Paris (APA/AFP) - Mit dem Ergebnis der französischen Präsidentschaftswahl, bei der sich am Sonntag in erster Runde der sozialistische Kandid...

Paris (APA/AFP) - Mit dem Ergebnis der französischen Präsidentschaftswahl, bei der sich am Sonntag in erster Runde der sozialistische Kandidat Francois Hollande vor Amtsinhaber Nicolas Sarkozy platzierte, sowie dem überraschen gute Abschneiden der rechtsextremen Kandidatin Marine Le Pen beschäftigten sich am Montag zahlreich französische Pressekommentare:

„Le Figaro“ (Paris, konservativ):

„Nicolas Sarkozy braucht einen neuen Aufbruch. In erster Linie wird es ein Aufbruch der Wähler von Marine Le Pen sein, die trotz des Erfolgs ihrer Kandidatin beim zweiten Wahlgang allein sein werden. Die Vorsitzende der Front National (FN) hat keine Wahlempfehlung für Sarkozy oder Hollande abgegeben, und trägt daher die schwere Verantwortung, den Sieg des sozialistischen Kandidaten zuzulassen. Die große Mehrheit der FN-Wähler der ersten Runde wird keine andere Wahl haben, als Sarkozy zu wählen, um Hollande zu verhindern. Es ist jetzt die große Herausforderung für Sarkozy, die richtigen Sätze, Überzeugungen und Zusicherungen zu finden, die alle Franzosen zusammenschließen, damit der Elysee am 6. Mai nicht an die Linke übergeben werden muss.“

„La Croix“ (Paris):

„Nach der üblichen Wahl-Arithmetik könnte Francois Hollande am 6. Mai die Wahl gewinnen. Doch man kennt die Kämpfernatur von Nicolas Sarkozy. Er wird nichts unversucht lassen. Die Wahlempfehlungen der abgeschlagenen Kandidaten werden sehr genau geprüft werden. Es besteht die Gefahr, dass sich im Kampf um Wählerstimmen beide Kandidaten gegenseitig überbieten oder lähmende Allianzen eingehen. Nach dem 6. Mai wird der neue Präsident ein Programm für alle Franzosen aufstellen müssen. Er wird handeln und schmerzhafte Entscheidungen treffen müssen, und vor allem wird er die Wahrheit sagen müssen: Über den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, den Abbau der öffentlichen Schulden und die Rückkehr zum Wachstum.“

„Liberation“ (Paris):

„Da ist zuerst der klare Sieg von Francois Hollande. Das war bei weitem nicht von vornherein klar. Und dieser erste Platz sagt viel aus. Zum einen ist da ein starker Wille nach politischem Wandel, einer anderen Art zu regieren. Da ist der Wunsch, an der Spitze des Staates wieder Werte zu sehen. Die zweite Lehre: Nicolas Sarkozy ist gescheitert. Mit seinem unverständlichen Wahlkampf konnte er seine Bilanz nicht maskieren, die an den Urnen abgestraft wurde. Und er konnte auch die Front National (FN) nicht schwächen, ganz im Gegenteil: Niemals war die extreme Rechte in Frankreich so stark.“

Wirtschaftszeitung „Les Echos“:

„Der Schatten von Marine Le Pen wird über dem Wahlkampf für die zweite Runde (am 6. Mai) schweben. Nicolas Sarkozy wie Francois Hollande müssen nun davon überzeugen, dass sie mit einer orthodoxen Politik Erfolg haben können. (...) Ihr Erfolg ist nicht nur für die Wirtschaft wichtig, sondern auch für den moralischen Zustand unserer Gesellschaft. Dieser Weg wird glücklicherweise von einer Mehrheit unterstützt. Fast zwei von drei Wählern hat für eine Art wirtschaftspolitischen Realismus gestimmt, sei er nun links oder rechts.“

„La Voix du Nord“ (Lille):

„Die Überraschung, das ist das Abschneiden der Front National. (...) Ob die Partei vom Vater (Parteigründer Jean-Marie Le Pen) oder von der Tochter repräsentiert wird, sie ist seit 30 Jahren bei allen Wahlen dabei und zieht immer mehr Stimmen auf sich. (...) Seit die Krise voll zuschlägt, die Arbeitslosigkeit unverändert hoch ist, die Zukunft Angst macht, fallen die Stimmzettel für die Front National (FN) in die Urnen, um den Mächtigen zu zeigen, dass ein Teil der Franzosen nicht mehr an ihre Lösungen glaubt. (...) Und dies trotz eines Präsidenten, der mit den Wählern der FN flirtet und trotz des Linksaußen Jean-Luc Melenchon, der davon träumte, den Rechtsextremen Wähler aus der Arbeiterklasse abzujagen. Nichts hat genutzt.“