Weltpolitik

EU setzt Sanktionen gegen Burma aus – Suu Kyi boykottiert Parlament

Lange kämpfte die EU für mehr Demokratie in Burma – nun fallen die meisten Strafmaßnahmen. Die Gemeinschaft der 27 hat aber weiter Forderungen an das asiatische Land. Oppositionsführerin Suu Kyi nahm drei Wochen nach ihrem Sieg bei der Parlamentsnachwahl am Montag nicht an der ersten Parlamentssitzung teil.

Luxemburg – Die EU belohnt den Reformprozess in Burma, indem sie ihre Sanktionen gegen das südostasiatische Land weitgehend aussetzt. „Die Europäische Union hat den historischen Wandel, der sich in den vergangenen zwölf Monaten in Burma vollzogen hat, mit Respekt und Anerkennung beobachtet“, erklärten die EU-Außenminister am Montag. Edelhölzer, Edelsteine und Edelmetalle aus Burma können nun wieder in die 27 EU-Staaten gelangen, beschlossen die EU-Außenminister am Montag laut Diplomaten in Luxemburg. Auch Einreiseverbote für 491 Führungspersonen der Burmanischen Regierung, die mit einem Einfrieren von Vermögenswerten in der EU einhergehen, fielen.

Die Union will damit den Demokratisierungsprozess fördern und in den Beziehungen zu dem Land ein „neues Kapitel“ aufschlagen, wie es in einer Erklärung heißt. Das Exportverbot für Waffen bleibt aber bestehen.

Sanktionen können jederzeit wieder eingesetzt werden

Nachdem die Opposition in Burma jahrzehntelang unterdrückt wurde, verfolgt die formal zivile Regierung unter Präsident Thein Sein seit geraumer Zeit eine Politik der Öffnung. Bisheriger Höhepunkt dieses Prozesses war, dass die lange inhaftierte Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi am 1. April an einer Nachwahl für das Parlament des Landes teilnehmen durfte und einen Abgeordnetensitz errang. Im Gegenzug für die Reformbemühungen lockert der Westen derzeit seine Sanktionen.

Technisch ist das Verfahren der EU etwas kompliziert. Denn die Sanktionen werden von der EU nicht aufgehoben, sondern um ein Jahr verlängert – aber nicht angewendet. Damit ist es jederzeit möglich, die Maßnahmen rasch wieder in Kraft zu setzen.

„Die EU erwartet(...) nach wie vor die bedingungslose Freilassung der noch verbleibenden politischen Gefangenen“, schrieben die Minister laut Erklärung. Der britische Außenminister William Hague sagte, dass es trotz „großer Fortschritte“ noch immer Grund zur Sorge gebe. Daher sei es richtig, noch nicht alle Sanktionen aufzuheben: „Sie können wieder eingesetzt werden, wenn sich Burma in die falsche Richtung bewegt.“

Die Lage im Land werde aufmerksam beobachtet und kontinuierlich überprüft, hieß es in der Erklärung weiter. Im Herbst soll geprüft werden, ob die Sanktionen weiter ausgesetzt bleiben. Dies hängt von der Entwicklung im Land ab.

Spannungen wegen Amtseid

In Burma gibt es derweil neue Spannungen. Drei Wochen nach ihrem Sieg bei der Parlamentsnachwahl nahm Suu Kyi am Montag nicht an der ersten Parlamentssitzung teil. Suu Kyi und die die anderen Abgeordneten ihrer Nationalen Liga für Demokratie (NLD) weigerten sich damit, die geforderte Eidesformel mit der Treue zur geltenden Verfassung zu sprechen. Damit gab es erstmals in den vergangenen Monaten einen offenen Streit zwischen Suu Kyi und der Führung des Landes.

Präsident Thein Sein machte deutlich, dass er in dem Streit nicht nachgeben will. Ungeachtet der Proteste von Suu Kyi werde der Text der Vereidigung nicht geändert, sagte der Ex-General laut der Nachrichtenagentur Kyodo am Montag bei einem Besuch in Japan. Es sei an Suu Kyi zu entscheiden, ob sie im Parlament sitzen wolle oder nicht.

Die bisher geltende Eidesformel verpflichtet zur „Bewahrung“ der Verfassung aus dem Jahr 2008, in der die Vormachtstellung der Armee festgeschrieben wird. Die NLD, zu deren Hauptzielen eine Verfassungsänderung gehört, schlug als Kompromiss vor, das Wort „bewahren“ in „respektieren“ zu ändern. Eine ähnliche Formulierung hätten die Behörden auch bei der Registrierung der Partei für die Nachwahlen geduldet. Die Liga hatte bei den Nachwahlen zum Parlament am 1. April 43 von 45 Sitzen gewonnen, davon 37 im Unterhaus.

Militärdiktatur mit zivilem Anstrich

Burma wurde seit 1962 von einer Militärdiktatur beherrscht, die sich zuletzt einen zivilen Anstrich gab. Bei den manipulierten Wahlen vom November 2010, von denen die NLD ausgeschlossen war, hatte die Junta-Partei „Union für Solidarität und Entwicklung“ (USDP) 80 Prozent der Parlamentsmandate bekommen. Ein Viertel der Abgeordnetensitze und mehrere Schlüsselressorts in der Regierung sind laut Verfassung den Streitkräften vorbehalten. Darüber hinaus sitzen über 70 hohe Offiziere, die offiziell aus der Armee ausgeschieden sind, als „Zivilisten“ im Parlament, das nur einmal jährlich tagt. Ex-Junta-Premier Thein Sein hatte seinen Generalsrang niedergelegt, um als Spitzenkandidat der USDP, eine Massenorganisation des alten Regimes mit 25 Millionen Zwangsmitgliedern, anzutreten.

1990 gewann die NLD Wahlen zu einer Verfassungsgebenden Nationalversammlung mit Vierfünftelmehrheit, doch durfte das Gremium nie zusammentreten. Danach verbrachte Aung San Suu Kyi, Tochter des ermordeten burmesischen Freiheitshelden General Aung San, die meiste Zeit in Haft oder unter Hausarrest. 1991 durfte sie nicht nach Oslo reisen, um den Friedensnobelpreis entgegenzunehmen. Sie wurde erst im November 2010 freigelassen, eine Woche nach den von der Militärjunta organisierten Wahlen. (tt.com/dpa/APA/AFP)