Der Grünfaktor in der Architektur
Es muss aber nicht gleich ein vollwertiges „green building“ sein, auch einzelne grüne Maßnahmen bringen ressourcensparende Aspekte in den Wohnbau.
Von Ursula Philadelphy
Innsbruck –Jean Nouvel hat mit seinem 2006 mitten in Paris, am linken Seine-Ufer, erbauten Musée du Quai Branly Furore gemacht. Zusammen mit dem Landschaftsarchitekten Gilles Clément hat er die Außenhaut des vierstöckigen Hauses in einen vertikalen Garten verwandelt, der seither sprießt und gedeiht. Auch in Innsbruck gibt es mitten im Stadtzentrum einen derartigen Garten, den Architekt Johannes Wiesflecker zusammen mit dem Münchner Landschaftsarchitekten Rainer Schmidt gestaltet hat. Wenn auch nicht ganz so flächendeckend wie in Paris und auch nicht so bunt, weil man sich an der alpinen Vegetation ein Beispiel nahm. Die Sparkasse hat auf einem Teil ihrer Gebäude rund um den Sparkassenplatz eine grüne Außenhaut, die dämmt und nicht nur nachhaltig ist, was den ökologischen Aspekt betrifft, sondern auch nachhaltig sprießt „und sich sehr bewährt“, wie Wiesflecker erfreut festhält. „Es hat zwar ein bisschen gedauert, wie jede Landschaftsgeschichte, aber inzwischen müssen wir regelmäßig kräftig zurückschneiden.“ Das System funktioniert prinzipiell so, wie man früher bei Bauernhöfen das Brennholz auf der Wetterseite aufgeschichtet hat, um damit in der kalten Jahreszeit die ausgesetzteste Hauswand zu dämmen.
Öko und Ursprünglichkeit werden immer öfter zum Thema, auch für den privaten Wohnbau. Man muss in diesem Punkt aber einen Trennstrich zu jenen städtischen Gärtnern ziehen, denen es nicht um die ressourcenschonenden Qualitäten eines „green building“ geht, sondern die einfach „urban gardening“ betreiben und dabei auch zu vertikalen Gärten tendieren – aber eben des Gartens wegen. Sukkulenten, Graspolster und Kräuter machen ja fröhlich mit, aber dieser Gegenentwurf zu einem normalen Garten hat mit bautechnischer Ökologie nichts zu tun.
Bei einem regulären „green building“ gilt es, einige grundlegende Aspekte zu beachten. Wichtig sind im Prinzip nicht nur die richtige Wahl der Baumaterialien sowie die Energieeffizienz der gesamten verwendeten Produkte, sondern auch die Lage eines Gebäudes und das Ambiente. Wenn man sich über den Klimaschutz Gedanken macht, dann kann auch bereits die Revitalisierung und aktive Belebung eines innerstädtischen Innenhofes sehr grün sein.
Im städtischen Bereich hat man meist wenig Bewegungsspielraum. Aber man kann selbst in den Stadtzentren jenseits der Vermeidung grauer Energie auch neue Lösungsansätze finden, um den Wohn- und Lebensraum grüner zu gestalten. Solaranlagen auf dem Dach oder begrünte Dächer sind Möglichkeiten, die bereits genutzt werden. Was sich zu ebener Erde abspielt, ist allerdings meist noch eine Tragödie. Dabei wäre es gar nicht so aufwendig, die Innenhöfe zu entrümpeln und als Gärten, Spielplätze und Kommunikationsbereiche zu revitalisieren. Zur Entstehungszeit der großen Wohnblockkarrees war es noch nicht nötig, in diesen Dimensionen zu denken, und so wurden die Höfe klein aufgeteilt, mit Zäunen vergittert, mit Schuppen zugebaut, verhüttelt und vermüllt. Heute ein Eldorado für Landschaftsarchitekten, die sich meist im Zuge von Dachausbauten und in Zusammenarbeit mit Architekten einbringen können. Je nach Weite des Innenhofes kann man mit weißen Wänden arbeiten, um für mehr Licht und Helligkeit zu sorgen, oder mit vertikalen Gärten, um die Wände zu dämmen und zugleich aus dem Hof einen Grünraum zu machen.
Bei allen Bemühungen um das Thema Grün und Nachhaltigkeit gibt es inzwischen aber auch einige Kritiker, denn nur zu gerne wird banale Architektur begrünt – im schlimmsten Fall gibt es sogar Klebefolien, die rankendes Grün suggerieren – und dann mit Nachhaltigkeit geprotzt. Von Ressourcenschonung und Optimierung der Energieeffizienz keine Spur. Das sollte aber doch die Quintessenz sein – und zwar auf den Lebenszyklus eines Hauses umgelegt. In diesem Zeitrahmen gedacht, zahlt es sich auf jeden Fall aus, die individuellen Situationen zu analysieren und wirklich grün zu planen.