EU setzte Sanktionen gegen Burma für ein Jahr weitgehend aus

Luxemburg/Naypyidaw (APA/AFP/dpa) - Die EU belohnt den Reformprozess in Burma (Myanmar), in dem sie ihre Sanktionen gegen das südostasiatisc...

Luxemburg/Naypyidaw (APA/AFP/dpa) - Die EU belohnt den Reformprozess in Burma (Myanmar), in dem sie ihre Sanktionen gegen das südostasiatische Land weitgehend aussetzt. „Die Europäische Union hat den historischen Wandel, der sich in den vergangenen zwölf Monaten in Burma vollzogen hat, mit Respekt und Anerkennung beobachtet“, erklärten die EU-Außenminister am Montag. Einen Konflikt gab es unterdessen um die Vereidigung der Oppositionsabgeordneten im burmesischen Parlament.

Nachdem die Opposition in Burma jahrzehntelang unterdrückt wurde, verfolgt die formal zivile Regierung unter Präsident, Ex-General Thein Sein seit geraumer Zeit eine Politik der Öffnung. Bisheriger Höhepunkt dieses Prozesses war, dass die lange inhaftierte Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi an einer Nachwahl für das Parlament des Landes teilnehmen durfte und einen Abgeordnetensitz errang. Im Gegenzug für die Reformbemühungen lockert der Westen derzeit seine Sanktionen gegen Burma. Technisch hat die EU die Sanktionen nicht aufgehoben, sondern um ein Jahr verlängert - aber sie werden nicht angewendet.

„Die EU würdigt den friedlichen Verlauf des Prozesses und die Bereitschaft der Parteien, mit einer gemeinsamen Vision von politischen, sozialen und wirtschaftlichen Reformen auf die gleichen Ziele hinzuarbeiten“, teilten die EU-Außenminister in Luxemburg mit. Die EU-Länder beschlossen daher, ihre Sanktionen gegen das Land mit Ausnahme eines Waffenembargos zunächst für ein Jahr auszusetzen, „um auf diese Weise den Reformprozess zu würdigen und zu unterstützen“.

Die EU hatte Einreiseverbote und Vermögenssperren gegen 491 Personen verhängt, gegen einen Kreis führender Regierungsvertreter waren diese Strafmaßnahmen bereits zu Jahresbeginn aufgehoben worden. Von der Aussetzung der EU-Sanktionen profitieren Diplomatenangaben zufolge besonders mehr als 800 Firmen, die von Handelsbeschränkungen und einem Investitionsverbot getroffen wurden. Das betrifft vor allem Holz- und Minenunternehmen sowie den Handel mit Edelsteinen.

Die Lage im Land werde aufmerksam beobachtet und kontinuierlich überprüft, hieß es in der Erklärung der Außenminister. Die EU-Länder forderten als weitere Schritte eine „bedingungslose Freilassung“ der verbleibenden politischen Gefangenen, die Aufhebung aller Beschränkungen für die bereits Freigelassenen, verbesserten Zugang für humanitäre Hilfe sowie eine Lösung ethnischer Konflikte.

Der britische Außenminister William Hague sagte, dass es trotz „großer Fortschritte“ noch immer Grund zur Sorge gebe. Daher sei es richtig, noch nicht alle Sanktionen aufzuheben: „Sie können wieder eingesetzt werden, wenn sich Burma in die falsche Richtung bewegt.“ Hague nannte etwa den aktuellen Konflikt um die Vereidigung von Oppositionsmitgliedern im Parlament.

Drei Wochen nach ihrem Sieg bei der Parlamentsnachwahl nahm Oppositionsführerin Suu Kyi am Montag nicht an der ersten Parlamentssitzung teil. Suu Kyi und die die anderen Abgeordneten ihrer Nationalen Liga für Demokratie (NLD) weigerten sich damit, die geforderte Eidesformel mit der Treue zur geltenden Verfassung zu sprechen. Damit gab es erstmals in den vergangenen Monaten einen offenen Streit zwischen Suu Kyi und der Führung des Landes.

Präsident Thein Sein machte deutlich, dass er in dem Streit nicht nachgeben will. Ungeachtet der Proteste von Suu Kyi werde der Text der Vereidigung nicht geändert, sagte der Ex-General laut der Nachrichtenagentur Kyodo am Montag bei einem Besuch in Japan. Es sei an Suu Kyi zu entscheiden, ob sie im Parlament sitzen wolle oder nicht.

Die bisher geltende Eidesformel verpflichtet zur „Bewahrung“ der Verfassung aus dem Jahr 2008, in der die Vormachtstellung der Armee festgeschrieben wird. Die NLD, zu deren Hauptzielen eine Verfassungsänderung gehört, schlug als Kompromiss vor, das Wort „bewahren“ in „respektieren“ zu ändern. Eine ähnliche Formulierung hätten die Behörden auch bei der Registrierung der Partei für die Nachwahlen geduldet. Die Liga hatte bei den Nachwahlen zum Parlament am 1. April 43 von 45 Sitzen gewonnen, davon 37 im Unterhaus.

Burma wurde seit 1962 von einer Militärdiktatur beherrscht, die sich zuletzt einen zivilen Anstrich gab. Bei den manipulierten Wahlen vom November 2010, von denen die NLD ausgeschlossen war, hatte die Junta-Partei „Union für Solidarität und Entwicklung“ (USDP) 80 Prozent der Parlamentsmandate bekommen. Ein Viertel der Abgeordnetensitze und mehrere Schlüsselressorts in der Regierung sind laut Verfassung den Streitkräften vorbehalten. Darüber hinaus sitzen über 70 hohe Offiziere, die offiziell aus der Armee ausgeschieden sind, als „Zivilisten“ im Parlament, das nur einmal jährlich tagt. Ex-Junta-Premier Thein Sein hatte seinen Generalsrang niedergelegt, um als Spitzenkandidat der USDP, eine Massenorganisation des alten Regimes mit 25 Millionen Zwangsmitgliedern, anzutreten.

1990 gewann die NLD Wahlen zu einer Verfassungsgebenden Nationalversammlung mit Vierfünftelmehrheit, doch durfte das Gremium nie zusammentreten. Danach verbrachte Aung San Suu Kyi, Tochter des ermordeten burmesischen Freiheitshelden General Aung San, die meiste Zeit in Haft oder unter Hausarrest. 1991 durfte sie nicht nach Oslo reisen, um den Friedensnobelpreis entgegenzunehmen. Sie wurde erst im November 2010 freigelassen, eine Woche nach den von der Militärjunta organisierten Wahlen.