Sarkozy vor fast unmöglichem Spagat
Im ersten Wahlgang hat Amtsinhaber Nicolas Sarkozy eine empfindliche Niederlage einstecken müssen. Seine einzige Chance ist nun das Gelingen eines ungemein schwierigen Spagats zwischen Zentrumswählern und Rechtsextremen.
Paris - Nicolas Sarkozy musste am Sonntag im ersten Durchgang der Präsidentenwahl eine herbe Niederlage einstecken. Der Amtsinhaber muss deshalb nun am äußersten rechten Rand auf Stimmenfang gehen. Kann er die Le-Pen-Wähler nicht mobilisieren, hat er bei der Stichwahl am 6. Mai keine Chance. Dies könnte aber wiederum zu Verstimmungen bei den Zentrumswählern führen.
Laut Endergebnis hat der Sozialist Francois Hollande einen Vorsprung von 1,45 Prozentpunkten auf den amtierenden Präsidenten. Bekommt Hollande in der Stichwahl auch alle Stimmen von links, käme er auf etwa 44 Prozent. Umfragen der Institute IPSOS, IFOP und CSA ergaben am Sonntagabend aber, dass er sogar mit 54 bis 56 Prozent der Stimmen siegen dürfte. Das impliziert, dass er auch Zustimmung von rechts erhalten dürfte. „Der Sieg ist zum Greifen nahe, aber es ist noch nichts entschieden“, sagte Hollandes Wahlkampfleiter, Pierre Moscovici.
Sarkozy buhlt um Wähler der Rechten
Um seinen Posten im Elysee-Palast zu halten, ist Sarkozy jetzt nicht nur umso mehr gezwungen, möglichst viele FN-Wähler an seine Seite zu ziehen, sondern auch die Zentrumsbürgerlichen um Francois Bayrou zu halten, der etwas mehr als neun Prozent der Stimmen erhielt. „Ich denke, dass Sarkozy zwischen den beiden Wahlrunden einen rechten Wahlkampf führen wird, aber auf diese Weise wird er die Wähler der Mitte verlieren“, analysierte Stephane Rozes vom Politikforschungsinstitut CAP.
Sarkozy sagte am Montag, er wolle eine „Antwort“ für die Wähler der rechtsextremen Kandidatin der „Front National“ (FN), Marine Le Pen, finden. „Es gibt diese Krisenstimmen, die sich von einer Wahl zur nächsten verdoppelt haben, diesen Krisenstimmen muss man eine Antwort geben“, betonte der Präsident. Er kündigte an, die Grenzkontrollen zu verschärfen und die Zuwanderung weiter zu begrenzen.
FN-Wahlkampfchef Florian Philippot erteilte Sarkozys Annäherungsversuchen allerdings eine klare Absage. Es werde keine Wahlempfehlung geben. Seine Partei stehe nicht für „die kleinen politischen Tricks“, sagte er dem Sender Canal+. „Wir werden nicht mit der UMP (Anm. Sarkozys Partei) verhandeln.“ Der Vize-Präsident der FN, Louis Alliot, kündigte an, dass er „ungültig“ wählen werde.
Le Pen punktet mit Anti-Europa-Slogans
Marine Le Pen schnitt am Sonntag überraschend gut ab, sie kam auf sensationelle 17,9 Prozent der Stimmen. Die Pariser Politikwissenschaftlerin und FN-Expertin Nonna Mayer sagte, die Partei bekomme durch die Wirtschaftskrise und die Politikverdrossenheit vieler Franzosen viel Zuspruch.
Insbesondere profitierte sie in Gegenden mit besonders hoher Arbeitslosigkeit, „wo viele Menschen kaum noch Hoffnung haben“. Dort habe Le Pen mit ihrer anti-europäischen Rhetorik, dem Ruf nach Protektionismus, dem Abriegeln der Grenzen und dem Slogan „Frankreich zuerst“ besonders punkten können.
Le Pen sei es gelungen, die vor ihrer Wahl zur Parteichefin völlig zerstrittene FN auf eine Linie zu bringen, meint die Expertin. Sie habe der vor vier Jahrzehnten von ihrem Vater gegründeten Front National ein „jüngeres und dynamischeres Image“ verschafft. Die 43-Jährige habe längerfristig weitergehende Ambitionen: „Marine Le Pen will an die Macht“.
Hollande sah den Grund für das gute Abschneiden Le Pens bei Sarkozy. „Die Rechtsextremen sind auf einem hohen Niveau und Nicolas Sarkozy ist dafür verantwortlich“, sagte er.
Spindelegger: „Muss uns zu denken geben“
Das Erfolg der Nationalisten hat am Tag danach auch die EU-Außenminister in Luxemburg beschäftigt. „Das ist eine große Unterstützerzahl für Le Pen, und das muss uns allen zu denken geben“, sagte Außenminister Michael Spindelegger. „Aber die Wahlen sind damit wieder völlig offen aus meiner Sicht, nachdem sowohl Hollande als auch Sarkozy Kopf an Kopf liegen“, fügte der Vizekanzler hinzu.
Angela Merkel bekräftigte ihre Unterstützung für Sarkozy. Der Sprecher der deutschen Kanzlerin hob jedoch auch hervor, dass die Bundeskanzlerin mit jedem gewählten französischen Präsidenten gut zusammenarbeiten werde. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass das deutsch-französische Verhältnis „völlig unabhängig von handelnden Personen ist“.
SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte, dass ein sozialistischer Sieg in der Stichwahl in zwei Wochen „ein wichtiges Signal für ganz Europa“ wäre. „Hollandes Erfolg zeigt: Ein soziales, gerechtes Europa ist möglich.“ Die gesamte SPD drücke dem sozialistischen Präsidentschaftskandidaten die Daumen. (TT.com, APA/AFP)