Baku – mit einem Lied wachgeküsst
Weil Ell & Nikki im Vorjahr den Eurovision Song Contest gewonnen haben, ist Baku im Mai Austragungsort des Wettbewerbs. Sehenswert ist das Zentrum der aserbaidschanischen Hauptstadt, das zum Weltkulturerbe zählt.
Baku ist im Mai Gastgeber des Eurovision Song Contests. Menschenrechtler üben allerdings scharfe Kritik an dem Austragungsort, an dem Korruption und Zwangsräumungen zum Alltag gehören. Sie wollen keinen Boykott, sondern einen wunderbaren Song Contest und keine politischen Häftlinge im Gefängnis nebenan.
Die aserbaidschanische Hauptstadt gilt als ein Dubai am Kaspischen Meer. Die Stadt ist reich – an Petrodollars, an Geschichte und an Legenden. Ihr altes Zentrum gehört zum Weltkulturerbe.
Von der Uferpromenade am Kaspischen Meer in Baku bis zum Wahrzeichen der aserbaidschanischen Hauptstadt sind es nur wenige Schritte. Der rund 30 Meter hohe Jungfrauenturm in der Altstadt steht unübersehbar an der breiten Flaniermeile. Über das vom Erdöl getrübte Wasser fegt ein Uferwind, der es hier mitunter wie in einer Autowerkstatt riechen lässt. Itscheri Schecher heißt der geschützte historische Teil der Stadt, wo es neben dem Turm alte Tempel und Minarette, Palastanlagen der Khane, aber auch Restaurants, Cafés und Hotels gibt.
Zum Eurovision Song Contest (ESC) in der zweiten Maihälfte erwartet der Altstadt-Direktor Michail Jabbarow einen Ansturm von Touristen. In Itscheri Schecher haben Künstler und Kleinhändler ihre Heimat. Die erdbebengefährdete Altstadt sei lange Zeit in einem verheerenden Zustand und vom Zerfall bedroht gewesen, sagt der Manager. Er erzählt, wie schwierig es bisweilen sei, einen Kompromiss zu finden zwischen dem von der Unesco geforderten Denkmalschutz und dem Alltag im Südkaukasus.
Die engen Gassen sind vor allem vielen Filmfreunden des früheren Sowjetimperiums vertraut. Die Kinoregisseure nutzten das Altertum und den weltoffenen Islam, um in ihren Streifen Exotik zu verströmen. Dabei erinnert Jabbarow daran, dass der Sowjetdiktator Josef Stalin einst alles zerstören habe wollen. Dann gab es wohl andere Probleme – und der Kremlherrscher im fernen Moskau vergaß das alte Baku.
Heute bescheinigen manche Itscheri Schecher das Zeug zum Tourismusziel von Weltklasse. Doch bei Infrastruktur, Angeboten im Kulturkalender und beim Management ist noch einiges zu tun. Auch die Hauptstadt-Preise in dem autoritär geführten Land gelten eher als hoch. Schon seit den 1930ern entwickelte sich in Itscheri Schecher eine lebendige Jazzszene, deren prominentester Vertreter Vagif Mustafazadeh (1940–1979) war. In einigen Lokalen und in Hausmuseen hält sich der Geist der Künstlerszene von Baku bis heute.
Inmitten der Architektur-Denkmäler verkaufen Händler handgeknüpfte Teppiche aus Wolle und Seide und orientalischen Trödel. Frauen in Trachten backen in einem Steinofen in der Nähe des steinernen Stadttors Fladenbrot mit Sesamkörnern.
Den besten Rundblick gibt es vom Jungfrauenturm, der nach Meinung der meisten Forscher aus dem 12. Jahrhundert stammt. Für viele der zwei Millionen Einwohner ist der steinerne Zylinder ein romantisches Symbol der Liebe und Reinheit.
Eine Legende erzählt, dass sich einst eine schöne Maid aus Liebe zu einem Fischer von dem Turm stürzte. Altstadtdirektor Jabbarow jedenfalls ist überzeugt, dass die geschichtsträchtigen Ruinen um den Turm herum, aber auch ein altes Badehaus, der Palast der Schirwanschach-Dynastie und die vielen intakten muslimischen und jüdischen Sakralbauten künftig noch mehr Publikum anlocken werden.
In der aserbaidschanischen Hauptstadt mit insgesamt rund zwei Millionen Einwohnern ist unübersehbar, dass es an Geld nicht fehlt. Überall in der reichsten Stadt im Südkaukasus sind neue Glastürme zu sehen, die das alte Baku überragen. Von der Altstadt aber ist der Weg zur Promenade, wo Cafés und Kioske für Stärkung sorgen, am kürzesten. An der luftigen Küste schweift der Blick aufs Meer. (APA/dpa)