Baumgartner-Interview 2 - Stratos-Sprung für August geplant
APA: Gibt es einen konkreten Zeitplan, wann der Sprung tatsächlich stattfindet?...
APA: Gibt es einen konkreten Zeitplan, wann der Sprung tatsächlich stattfindet?
Baumgartner: Den gibt es leider noch nicht, weil das Ganze sehr, sehr wetterabhängig ist. Es gibt beim Wind ein Fenster von zwei Kilometern pro Stunde und da kann man nur grob planen. Im August gibt es die meisten Tage, die windstill sind, und daher ist es für August geplant. Dann muss man in einer sehr kurzen Zeit die gesamte Mannschaft mobilisieren und sie nach Roswell bringen, was logistisch ein irrsinniger Aufwand ist. Man braucht fast 120 Leute draußen, die helfen, dieses Projekt zu realisieren.
APA: Spürst du einen Druck das Projekt umsetzen zu müssen oder würde es noch einen Weg zurück geben?
Baumgartner: Das letzte Entscheidungsrecht habe ich als Athlet. Das sagen auch Red Bull und der Herr Mateschitz (Red Bull-Chef Dietrich Mateschitz, Anm.): „Felix, wenn Du dich nicht wohlfühlst und es nicht passt, dann kannst Du jederzeit umdrehen.“ Aber das ist natürlich ein sehr einfacher Satz, der schnell ausgesprochen ist. Man weiß ja selber vor Ort, dass alle Leute, das gesamte Team dort sind und mit Dir auf den Tag X warten. Wenn dann eine Kleinigkeit nicht perfekt passt, ist es schon schwierig, das Ganze abzublasen. Du musst für Dich abschätzen können, denn Kompromisse musst Du immer eingehen. Aber wie weit ist ein Kompromiss vertretbar? Und wir wollen ja eins nicht: Live vor der Kamera tödlich verunglücken. Das willst Du Deiner eigenen Mutter, Deiner Freundin nicht antun. Du hast eine gewisse Verantwortung Deinem Sponsor gegenüber, Deinen Teampartnern gegenüber. Das sind alles Leute, Die einem vertrauen. Diese Menschen willst Du nicht enttäuschen. Das ist eine der schwierigsten Entscheidungen.
APA: Hast Du während der vergangenen Jahre jemals ans Aufgeben des Projekts gedacht, etwa 2010 als der Sprung wegen rechtlicher Probleme auf der Kippe stand?
Baumgartner: Eigentlich nicht, weil ich ein Mensch bin, der sich immer im Vorfeld überlegt, was er macht. Bei jedem Basejump, den ich gemacht habe, habe ich vorher eingeschätzt, ob ich ihn machen kann, bin ich imstande das umzusetzen? Dann bereite ich mich vor und suche mir die richtigen Leute. Irgendwann auf halber Strecke umzudrehen, hat es bei mir noch nie gegeben. Der große Unterschied zu meiner Vergangenheit als Basejumper ist, dass es früher nur ich und mein Fallschirm waren. Das war eine einfache Symbiose. Bei einem Projekt wie Red Bull Stratos hast Du 40 Wissenschafter um Dich vereint. Ich habe sehr viel gelesen und mir viel Fachwissen angeeignet, damit ich die Akzeptanz und den Respekt bekomme, den ich brauche, um in diesem Projekt auch ein Projektleader zu sein.
APA: Geht es bei dem Sprung nur darum, dass Felix Baumgartner einen Weltrekord aufstellt, oder sollen wissenschaftlich relevante Informationen erforscht werden?
Baumgartner: Wir haben einen großen wissenschaftlichen Hintergrund. Denn bis dato hat noch kein Mensch die Schallmauer im freien Fall durchbrochen. Die NASA und die Air Force sind sehr interessiert. Das sind Zahlen und Informationen, die sie in der Zukunft brauchen, weil die bemannte Raumfahrt immer populärer wird. Diese Menschen müssen aber, wenn etwas schief geht, auch wieder lebend auf die Erde zurück. Das Wissen rund um die Sicherheitseinrichtungen oder die Anzüge, die wir entwickelt haben, behalten wir ja nicht. Wir geben das weiter an jede Organisation, die dieses Wissen benötigt, um eben Dinge weiterzuentwickeln. Wenn irgendwann die Raum- und Luftfahrt sicherer geworden ist und wir hier Pionierarbeit geleistet haben, haben wir auch einen entscheidenden Teil dazu beigetragen.
APA: Wie groß ist die Angst, dass das Projekt letztendlich nicht gut geht und Komplikationen auftreten?
Baumgartner: Man kann nur gewisse Dinge simulieren und am Computer berechnen, der Rest ist Handarbeit. Da braucht es bei vielen Dingen den Athleten, der sagt: „Ich gehe jetzt rauf und schau wirklich nach, was da oben ist.“ Es fängt bei der Vorbereitung, beim Launch an, dann geht es drei Stunden nach oben. Bis Du endlich oben bist, hast du schon sehr viel erreicht und bist aber trotzdem erst am Beginn der ganzen Geschichte. Dann musst Du aus der Kapsel herauskommen, da können viele, viele Dinge schief gehen. Wenn Du dann draußen stehst und fertig bist für den Sprung, hast Du immer noch sechs Minuten, die du nach Hause kommen musst. Die Dich trennen vor einer Welt, die sehr gefährlich ist, wo der Mensch nur zehn Sekunden überleben würde, wenn technisch etwas schiefgeht.