Bühne

Märchen sind unsterblich

Vor 200 Jahren wurden die „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm veröffentlicht. Sie lassen niemanden kalt, auch nicht Tirols Kulturschaffende.

Von Alexandra Plank

Innsbruck –Ob es nun das Rotkäppchen ist, das vom Weg abgeht und dem bösen Wolf in die Hände fällt oder das Schneewittchen, das bei den sieben Zwergen Unterschlupf findet, die Märchen der Gebrüder Grimm haben über die Jahrhunderte keinen Staub angesetzt. Warum das so ist, weiß Professor Stefan Neuhaus vom Institut für angewandte Literaturwissenschaft der Uni Innsbruck. „Die Menschen können sich mit den Figuren, die exemplarischen Situationen ausgesetzt sind, identifizieren. Die Märchen weisen eine einfache Struktur auf und haben gemeinsam, dass immer ein Mangel behoben wird.“

Seit 1812 begleiten die Märchen und Sagen der Brüder Grimm Generationen von Menschen auf der ganzen Welt. Jakob und Wilhelm Grimm sammelten Märchen und bearbeiteten sie umfassend. „Sie haben auch viel aus französischen und italienischen Märchensammlungen übernommen, gelten aber auch als Mitautoren vieler Texte“, weiß Neuhaus. In den 60er Jahren ging es den Märchen dann gehörig an den Kragen. Zu grausam seien sie und würden die labile kindliche Seele schädigen. Heute hat sich eine ganz andere Meinung durchgesetzt, die unter dem Slogan „Kinder brauchen Märchen“ segelt. „Bei Hänsel und Gretel nehmen die Kinder wahr, dass es nicht darum geht, dass die Hexe verbrennt, sondern vielmehr darum, dass zwei Kinder mit Problemsituationen alleine zurechtkommen“, erläutert Neuhaus.

Fragt man Menschen danach, was ihr Lieblingsmärchen ist, bekommt man in der Regel eine rasche Antwort. Für Neuhaus ist es „Das tapfere Schneiderlein“. Eigentlich die Geschichte eines Hochstaplers, der die Dummheit entlarvt und sehr clever ist.

Auch wenn Treibhaus-Chef Norbert Pleifer erklärt, dass er eher bibelfest und weniger grimmiger Märchenexeget sei, legt er sich auf den Froschkönig, besser gesagt auf den ersten Halbsatz des Märchens, fest. Dort steht von den alten Zeiten zu lesen, „als das Wünschen noch geholfen hat“. „Das finde ich grandios. Der Rest kann mir gestohlen bleiben, weil ich lieber Frosch bleiben, nicht an die Wand geworfen werden will – und schon gar nicht mit langweiligen, kichernden Prinzessinnen, fettleibigen Königen und intriganten Königinnen mein Leben fristen – bis ich nicht gestorben bin.“

Der Kabarettist Markus Koschuh, der mit „Agrargemein“ derzeit märchenhafte Erfolge feiert, nennt das Märchen vom zu schönen, zu intelligenten und aus zu gutem Hause kommenden Karl-Heinz Grasser als seinen absoluten Favoriten. Von den Gebrüdern Grimm nennt er „Tischlein deck‘ dich“ als seine Nummer eins. „Das hat die schöne Botschaft, dass immer etwas da ist“, findet Koschuh.

Regisseurin Susi Weber wandelt zurzeit mit ihrem „Feinripp-Ensemble“ auf den Spuren der Gebrüder Grimm. Im Oktober sollen im Treibhaus „Grimms Märchen leicht gekürzt“ zu sehen sein. „Märchen sind ja eine wunderbare Gruselvorlage, da kann man bei der Inszenierung hervorragend zum Splatter abdriften“, freut sich Weber. Ihr Lieblingsmärchen ist zurzeit „Die wunderbare Gasterei“. „Das ist herrlich absurd und handelt von einer Leber- und einer Blutwurst“, so Weber. Bis zu 250 Märchen werden in dem rasanten Stück angerissen.

Auf den designierten Intendanten des Tiroler Landestheaters Johannes Reitmeier üben Märchen von Kindesbeinen an eine große Faszination aus. „Ich überlege mir dabei immer, wie ich die Geschichte auf die Bühne bringe.“ Sein Lieblingsmärchen ist „Frau Holle“. Er finde das Bild so schön, wie sie die Betten ausklopft und es dann auf der Erde schneit.