Zwickauer Zelle

FBI-Profiler sahen Ausländerhass als Motiv für die Mordserie

Ein Jahr nach dem letzten Mord des Neonazi-Trios in Deutschland ließen die Ermittler eine Analyse von den amerikanischen Experten erstellen. Ihre Schlussfolgerungen waren eindeutig, doch die deutschen Kollegen ignorierten ihren Rat.

Berlin – Acht Türken und ein Grieche waren tot. Kaltblütig erschossen mit ein und derselben Waffe, einer Ceska 83. Die Tatorte lagen in Nürnberg, München, Hamburg, Rostock, Dortmund und Kassel. Begonnen hatte die Mordserie im September 2000, das letzte Opfer starb im April 2006. Die deutschen Ermittler standen vor einem Rätsel. 2007 wandten sie sich schließlich an das FBI, berichtet Spiegel Online. Die Profiler der US-Bundespolizei kamen zu einem eindeutigen Schluss: Das Motiv für die Morde war der Hass auf Ausländer.

Auf insgesamt sieben Seiten ihrer „Serienmord-Analyse“ erstellten die amerikanischen Experten ein Profil des Killers: Er sei diszipliniert und bereit, ein hohes Risiko einzugehen, denn die Morde geschahen alle am helllichten Tag. Er habe die neun Männer erschossen, weil sie aus der Türkei kamen oder zumindest so aussahen. Aus unbekannten Gründen habe er eine große Animosität gegenüber türkischstämmigen Menschen. Die Motivation für die Morde: Eine Mischung aus persönlicher Veranlassung und Nervenkitzel.

Zwei Theorien, gegen die es viele Argumente gab

Die FBI-Fallanalytiker rieten deshalb, öffentlichkeitswirksam nach Personen zu suchen, die einen „Groll gegen Türken“ hegten und zu den Tatzeitpunkten an den entsprechenden Orten gewesen sein könnten, berichtet Spiegel Online. Doch die deutschen Ermittler verfolgten zwei Theorien: Entweder handle es sich um einen Einzeltäter, der seine Opfer zufällig auswählte und Ausländer hasste. Oder aber eine kriminelle Organisation, zu der die Opfer irgendeine Beziehung haben könnten, hätte einen Auftragsmörder auf sie angesetzt. Doch gegen beide Theorien spreche so einiges, erklärte im Sommer 2008 der Leiter der Nürnberger Sonderkommission „Bosporus“, die drei der Ceska-Morde untersuchte, gegenüber dem Nachrichtenmagazin. Gegen die Hypothese des Berufskillers spreche unter anderem, dass dieser wohl kaum zur Hauptgeschäftszeit zugeschlagen hätte, wenn die Gefahr, entdeckt und gestellt zu werden am größten sei. Auch seien einige der Opfer nur zufällig am Tatort gewesen. Der Schütze hätte sie also vorher beschatten müssen. Das sei ein zu großer Aufwand.

Auch gegen die Theorie des Einzeltäters, der Ausländer hasste, gebe es gute Argumente. Die Fallanalytiker des Bundeskriminalamts meinten, Serienmörder würden zumeist aus sexuellen Motiven töten. Außerdem würden sie fast immer in der Nähe ihres Heimatortes zuschlagen. Die Tatorte der Mordserie lägen aber quer über Deutschland verteilt. Schließlich sei bei dem letzten Mord in einem Kassler Internet-Café nicht erkennbar gewesen, dass dies von einem Türken geführt werde.

Abriss der Brandruine in Zwickau

Dass die FBI-Profiler mit ihrer Analyse voll ins Schwarze getroffen hatten, stellte sich erst vier Jahre später heraus, als im November 2011 zufällig die Zwickauer Terrorzelle aufflog. Im Schutt der Hauses, in dem das Neonazi-Trio zuletzt lebte und das Beate Z. in Brand steckte, nachdem Uwe B. und Uwe M. tot in einem Wohnmobil gefunden worden waren, entdeckten die Ermittler auch eine italienische Waffe des Typs Bruni Mod. 315. Neben der Ceska 83, mit der die neun Männer erschossen worden waren, war im ersten und dritten Mord zusätzliche diese Pistole eingesetzt worden. Dem FBI war das merkwürdige Kaliber der Waffe aufgefallen. Die Experten hatten daraus den Schluss gezogen, dass es sich um eine „alte Waffe“ handle, auf die „der Angreifer sehr stolz“ sein könnte. Eine öffentliche Fahndung nach Besitzern solcher Waffen sei deshalb ratsam. Auch eine Empfehlung, der die deutschen Ermittler damals nicht folgten.

Die Ruine des letzten Unterschlupfs der Zwickauer Zelle sowie die andere Doppelhaushälfte werden übrigens diese Woche dem Erdboden gleich gemacht. Der Abrissbagger rückte am Dienstagmorgen an. Die Stadt hat das Gebäude nach dem Brand gekauft. In der Straße soll nichts mehr an die drei Neonazis erinnern. Die Stadt will mit dem Abriss auch verhindern, dass der Ort ein Wallfahrtsort für Neonazis wird. (tt.com)