Neues ORF-Gesetz

Regierung: „Werden unabhängigen ORF zustande bringen“

Mit einer Reform des ORF könnte es schneller gehen als zuletzt gedacht. SPÖ und ÖVP streben große Veränderungen in der Organisation des ORF an. Verhandlungen sollen bald starten.

Wien - Ein medienpolitisches Déjà-vu gibt es derzeit in Sachen ORF. Wie schon im Jahr 2008 wollen Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und sein Regierungspartner ÖVP eine Reform der ORF-Organisation in Angriff nehmen. Bereits kommende Woche wollen SPÖ und ÖVP mit den Verhandlungen beginnen. Der ORF-Stiftungsrat soll verkleinert und in einen „ordentlichen Aufsichtsrat“ umstrukturiert werden, Regierung und Parlament sollen die neuen ORF-Aufsichtsräte bestellen, den Betriebsräten zugleich das Stimmrecht bei der Wahl der ORF-Geschäftsführung entzogen werden. Die ÖVP will auch über das Alleingeschäftsführermodell reden und die Gesetzesnovelle offenbar dazu nutzen, den Einfluss des ORF-Generaldirektors zu beschneiden.

Von einer „gewaltigen Reform“ sprach Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) am Dienstag nach dem Ministerrat. In Sachen Verkleinerung des ORF-Stiftungsrats zeigten sich Faymann und Spindelegger einig. Die Österreicher wollten in erster Linie einen unabhängigen ORF, so der Kanzler. „Das werden wir wohl zustande bringen.“ Allerdings konzedierte Faymann, dass die Parteien auch künftig eine Rolle spielen würden, konkret bei der Auswahl der Stiftungsräte.

Im Moment sitzen 35 Personen im ORF-Stiftungsrat. Dieser ist für die Wahl der ORF-Geschäftsführung, die Absegnung der Budgets und wichtige strategische Weichenstellungen zuständig. Die Bundesregierung entsendet Mitglieder, ebenso die im Parlament vertretenen Parteien, alle neun Bundesländer, der ORF-Publikumsrat sowie der Betriebsrat des Senders. Medien-Staatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ) wird laut einem „Kurier“-Bericht eine Arbeitsgruppe einberufen, die Vorschläge für einen neuen ORF machen soll.

Öffentliches Hearing für ORF-Aufsichtsräte

Entscheidend wird die Frage werden, wer wie viele Mandatare entsenden darf. Faymann kann sich vorstellen, dass man hier ähnlich wie beim Verfassungsgerichtshof vorgehen könnte. Dadurch würden sowohl Regierung als auch Parlament ein Entsendungsrecht erhalten. Der Bundeskanzlers will, dass sich ORF-Aufsichtsräte künftig einem öffentlichen Hearing stellen müssen.

Der Betriebsrat soll laut Faymann vertreten sein, bei Personalentscheidungen aber nicht mitreden dürfen. Im Moment wird im Stiftungsrat entlang der Parteigrenzen abgestimmt, nur wenige Stiftungsräte agieren unabhängig. Es gibt sogenannte Freundeskreise, die aber im Prinzip Vorgaben aus den Parteizentralen umsetzen. Faymann hatte erst kürzlich im Nationalrat gesagt: „Dass Parteien gar nichts mehr zu reden hätten, das gibt es in ganz Europa in keinem öffentlich-rechtlichen Sender.“ Im Gespräch mit dem „Kurier“ meinte er nun: „Die Mitarbeiter müssen vor falscher Einflussnahme geschützt werden.“

Das von Faymann skizzierte Modell würde vor allem die Mitgestaltungsmöglichkeiten der Bundesländer und der Oppositionsparteien reduzieren. Im Moment entsenden jedes Bundesland und jede Oppositionspartei zumindest einen Stiftungsrat. Dass sich der ORF-Stiftungsrat künftig aus sich heraus erneuert, sieht Faymann skeptisch. Dieses Modell habe sich bei der ÖIAG nicht bewährt. Jedenfalls will der Bundeskanzler von der Arbeitsgruppe schnelle Ergebnisse. „Ich möchte klare Vorschläge so schnell wie möglich, aber spätestens für die Koalitionsverhandlungen nach der nächsten Wahl.“

Kritik von Oppositionsparteien

Kritik an den Regierungsplänen zum ORF kam am Dienstag erwartungsgemäß von der Opposition. Die parlamentarischen Oppositionsparteien verfügen - wie die Bundesländer - derzeit über je einen Sitz im obersten ORF-Gremium. Bei einer Verkleinerung des Stiftungsrats würde diese Mitgestaltungsmöglichkeit wohl wackeln.

Die FPÖ sprach denn auch von einer „Vertreibungsaktion der Opposition aus dem ORF“ und einer „Umgestaltung des ORF in Faymann-TV“. Neben dem ORF-Programm sollten nun auch die ORF-Gremien „inhaltlich gleichgeschaltet“ werden. Der ORF solle offenbar zum „DDR-Sender“ mutieren, so die FPÖ-Generalsekretäre Herbert Kickl und Harald Vilimsky. Ähnlich das BZÖ. Faymann plane den „totalen Regierungsfunk - die Opposition soll ausgeschaltet werden“, so BZÖ-Mediensprecher Stefan Petzner. Man werde diese Pläne für eine „totale Machtübernahme im Regierungsfunk ORF mit allen demokratischen Mitteln bekämpfen“. Gremienverkleinerung ja, diese dürfe aber nicht dazu führen, dass die Regierung im ORF ihre „Allmachtsansprüche“ ausleben kann.

Küberl: „Modell BBC wäre nicht das schlechteste Vorbild“

Positiv reagierte indes der unabhängige ORF-Stiftungsrat Franz Küberl. „Wenn wir Glück haben, ist das der Beginn einer differenzierten Debatte. Faymanns Modell klingt nach BBC, das wäre nicht das schlechteste Vorbild“, so Küberl in der „Kleinen Zeitung“. Zu diskutieren sei, „welche Kompetenzen der neue Stiftungsrat haben soll, und ob man zu einem abgeklärteren Verhältnis zwischen ORF und Politik findet“. Dass die Betriebsräte im ORF-Stiftungsrat die Geschäftsführung nicht mehr mitwählen sollen, sei angesichts der letzten ORF-Wahl „ein richtig verstandener Fortschritt. Von dieser unglückseligen Macht sollte man die Betriebsräte entbinden“.

ORF-Betriebsrat und Redakteure für kleineren Stiftungsrat

Für eine Neuordnung der ORF-Gremien sprach sich auch der ORF-Betriebsrat aus. Zentralbetriebsratsobmann Gerhard Moser befürwortete gegenüber der APA „eine drastische Verkleinerung des Stiftungsrats, um diesen wirklich zu einem effizienten Aufsichtsorgan zu machen.“ Dass die Betriebsräte dabei - wie von Faymann angekündigt - ihrer Mitwirkungsrechte verlustig gehen könnten, glaubt Moser übrigens nicht. „Wir gehen selbstverständlich davon aus, dass die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen - Arbeitsverfassung und Aktiengesetz - zur Anwendung kommen. Das heißt Drittelparität im Aufsichtsgremium und doppelte Mehrheit bei der Wahl der Geschäftsführung.“

Für den ORF-Redakteursrat gehen die Vorschläge des Bundeskanzlers in die richtige Richtung. Bei den Detailverhandlungen müsse freilich sichergestellt sein, „dass die Stiftungsratbestellung künftig von nachgewiesen Fähigkeiten abhängt und auf der Basis breiter Mehrheiten und transparent, also nach Hearings, erfolgt und nicht nach jeder Nationalratswahl eine Neuzusammensetzung samt entsprechenden Auswirkungen auf die ORF-Geschäftsführung stattfindet“, so Redakteurssprecher Fritz Wendl. Sollte es zu einer Novelle des ORF-Gesetzes kommen, wollen die ORF-Journalisten aber auch gleich über eine Beseitigung der Online- und Social Media-Beschränkungen für den Staatssender reden. Auch das Anhörungsrecht der Landeshauptleute bei der Bestellung der Landesdirektoren sollte demnach gestrichen werden.

Auch besorgte Stimmen aus ORF

Informell waren am Dienstag aus dem ORF aber auch besorgte Stimmen zu hören. Den ORF-Unabhängigkeit-stärken-Tönen Faymanns traut man dort nach den Turbulenzen der Causa Pelinka noch nicht ganz, die Angst vor einem neuen SPÖ-ÖVP-Proporz geht in den Gängen des ORF um. Schon 2008/2009 hat die Regierung Faymann schließlich versucht, die ORF-Gremien zu verkleinern und auch gleich den amtierenden ORF-General Alexander Wrabetz mit abzulösen. Dies scheiterte damals am Widerstand von Opposition, Ländern und kritischen Medien. Beim neuerlichen Anlauf für eine Reform gilt nun das Prinzip Hoffnung. „Wichtig ist der Belegschaft, dass wirkliche Rundfunk- und Wirtschaftsfachleute bestellt werden, je parteiferner, desto besser“, so Zentralbetriebsratsobmann und Stiftungsrat Moser.