Eklat um Gutachten nach Heli-Absturz am Achensee
Rohbericht der Bundesanstalt für Verkehr zur Unfallursache für den Hubschrauberabsturz im März 2011 wird von Flugpolizei zurückgewiesen. Senn: „Einfach unprofessionell.“
Von Peter Nindler
Innsbruck, Wien –Ein Jahr nach dem Absturz eines Polizeihubschraubers am Achensee, bei dem vier Menschen ums Leben kamen, hat der vorliegende Untersuchungsbericht zu einem veritablen Eklat geführt. Zwischen der Flugpolizei im Innenministerium und der dem Verkehrsministerium unterstehenden Bundesanstalt für Verkehr, bei der die Flugunfallkommission angesiedelt ist, herrscht Eiszeit. Der Leiter der Flugpolizei, der Tiroler Werner Senn, gibt offen zu, „dass ich das vorliegende Gutachten nicht nachvollziehen kann. Dabei geht es nicht darum, dass wir etwas vertuschen oder unsere Piloten schützen möchten. Sondern der Bericht wurde unprofessionell verfasst, unsere eigenen Untersuchungsergebnisse sind nicht einmal berücksichtigt worden.“
Vor einem Monat wurde der von Senn als Entwurf bezeichnete Bericht zur Stellungnahme übermittelt. Laut Senn weigerte sich selbst der Leiter der Flugunfallkommission, die Expertise zu unterschreiben, „weil einige Passagen offensichtlich nicht von ihm stammten“. Der oberste Flugpolizist vermisst vor allem die notwendige Objektivität in der Expertise.
Sie sollte bereits im Herbst fertig sein, doch sie verzögerte sich immer wieder. Zuletzt soll das Innenministerium häufig urgiert haben. Seit vier Wochen sorgt das Gutachten für Unruhe, weil es so gar nicht mit den Ergebnissen der bisherigen polizeilichen Erhebungen übereinstimmt. „Eigentlich wären wir gar nicht dazu verpflichtet gewesen, ein externes Gutachten anzufordern, aber wir wollten über jeden Zweifel erhaben sein“, betont Senn. Gegenüber der TT hadert er mit dem Bericht des Verkehrsministeriums. „Ich weiß nicht, welche Kräfte da am Werk waren.“
Denn für Senn ist es nach unzähligen Computersimulationen weiterhin ein Rätsel, warum der Helikopter plötzlich dramatisch an Höhe verloren hat und dann in geringer Höhe zuerst über die Häuser sowie über den See geflogen ist. Im Gegensatz dazu werde in dem Gutachten der Flugunfallkommission davon gesprochen, dass die Flughöhe über dem See nicht richtig abgeschätzt wurde und die Maschine zu tief geflogen ist. Überdies soll sich der Bericht insgesamt kritisch mit Hubschrauberflügen des Innenministeriums in Bezug auf Mindestflughöhen beschäftigen. Beides weist Senn energisch zurück: „Wir haben sogar einen Innsbrucker Neurologen zu Rate gezogen. Möglicherweise gab es eine Beeinträchtigung des Piloten – Stroboskopeffekt –, die das plötzliche Absacken der Maschine ausgelöst hat.“ Auch einen so genannten „bird strike“, einen Vogelschlag, schließt Senn nicht aus.
Dass es die 40 Hubschrauberpiloten des Innenministeriums mit der Mindestflughöhe nicht so genau nehmen, darüber kann Senn nur den Kopf schütteln. „Zum einen war der bei dem Absturz getötete Kollege alles andere als ein ,wilder Hund‘, sondern ein erfahrener und besonnener. Andererseits sind wir von der Mindestflughöhe ausgenommen, weil wir ja bei Einsätzen ständig unter besonderen Rahmenbedingungen fliegen müssen.“
Die Vorgangsweise der Flugunfallkommission will Senn nicht auf sich sitzen lassen. Er kündigt ein Krisengespräch an. Letztlich baut er aber auf seine 20 Seiten umfassende Stellungnahme. „Da können wir alles klarstellen. Das sind wir unseren verstorbenen Kollegen und ihren Angehörigen schuldig.“ Die Qualität des Gutachtens sei einfach nicht in Ordnung, fügt Senn abschließend hinzu.