Hirsche, die Könige unserer Wälder

Die Hamsterbacken dienen dem Sammeln von Futter. Im Notfall kann die Hamstermama darin aber auch ihre Kinder in Sicherheit bringen.Foto: PantherStock

In Österreich gab es immer nur drei Hirscharten, den Elch, den Rothirsch und das Reh. Elche haben Mitteleuropa östlich des Rheins und nördlich des Alpenhauptkammes besiedelt. Vor rund 1000 Jahren sollen Elche in Schweizer Klöstern sogar sehr begehrte Speisen gewesen sein.

Von Helmut Pechlaner

Ein Skelett eines jungen Elches wurde in einer Felsspalte bei Scharnitz gefunden und wird vom Tiroler Landesmuseum ausgestellt. Seit dem Ende der 80er-Jahre wandern immer wieder halbwüchsige Elche nach Österreich, zur Freude der Naturliebhaber, jedoch zum Leidwesen jener Waldbesitzer, die sich bemühen, anstelle von Fichtenmonokulturen einen bodenständigen Mischwald heranwachsen zu lassen.

Elche nehmen die dünnen Stämme junger Laubbäume zwischen die Vorderbeine und reiten dann den Baum nieder, bis sie das zarte Laub der Seitenäste und Wipfel naschen können. Die überhängende Oberlippe funktioniert fast wie eine Greifhand, sodass sie nicht nur hohe Zweige herunterziehen, sondern im Uferbereich von Seen auch Wasserpflanzen vom Gewässergrund heraufholen können.

Der Elchbulle hat keinen Harem wie der Rothirsch, er sucht sich ein Weibchen und begleitet dieses einige Wochen bis zur vollzogenen Paarung, dann sucht er sich eine Partnerin. Die Elchkuh bringt häufig Zwillinge zur Welt, diese Kälber sind einfärbig rotbraun. Die wachsame Mutter verteidigt ihre Kälber mit den Hufen, sie könnte einem Wolf und sogar einem Bären den Schädel einschlagen.

Wir Menschen haben in den vergangenen Jahrhunderten die unberührte Natur in Kulturlandschaften umgewandelt, Rotwild und Rehe haben sich dieser Veränderung angepasst. Noch nie hat es so viele Hirsche und Rehe in Europa gegeben wie heute. Obwohl Mähmaschinen und Straßenverkehr alljährlich Tausende dieser Tiere zu Tode bringen, kommt die Jagd nicht nach, die fehlenden Beutegreifer zu ersetzen.

Wenn wir im Sommer in der Dämmerung am Waldrand oder zwischen den Feldern spazieren gehen, werden wir leicht durch ein heiseres Bellen aus verschiedenen Richtungen erschreckt. Es sind keine wildernden Hunde, sondern imponierende Rehböcke, die da schreien. Ende Juli, Anfang August ist Brunftzeit beim Reh, der kleinsten europäischen Hirschart. Kräftige Rehböcke mit ihrem sechsendigen Geweih markieren ihr Revier, vertreiben Eindringlinge und umwerben der Reihe nach die Ricken (Weibchen). Viele Stunden lang läuft die Geiß dem Rehbock davon, häufig auf engstem Raum kreisförmig, diese Trampelpfade werden abergläubisch als Hexenringe bezeichnet.

Beim mächtigen Rothirsch herrscht im Hochsommer absolute Ruhe. Gut vier Monate sind vergangen, seit er sein mächtiges Geweih zum Ende des Winters abgeworfen hat, nun ist das neue, meist noch massivere Geweih eben fertig entwickelt. Der Bast, eine samtartige Beinhaut, hat diesen langen, weit verzweigten Knochen paarig neu gebildet. Geweihabwurf und Fegezeit sind beim Rothirsch einige Monate nach dem Rehbock angesagt. Trotz dieser Zeitverschiebung werden Rehkitze und Hirschkälber etwa zur gleichen Zeit Ende Mai, An-fang Juni geboren, im Frühjahr also noch, wenn saftiges Futter für Mutter und Kind sowie warme Witterung für beste Lebensbedingungen sorgen. Das neugeborene „Bambi“ vom Reh zeigt genauso die weißen Tupfen auf rotbraunem Fell wie das viel größere Hirschkalb, beide warten in geduckter Stellung, bis die Mutter vorbeikommt, um sie zu säugen. Fast geruchlos drücken sich die Jungtiere in das Gras, damit heute der Fuchs, früher wohl auch der Wolf und Luchs ihr Versteck nicht finden. Die Hirschkuh weidet einige hundert Meter in Windrichtung abseits des Kalbes. So verrät sie den Feinden nicht den Liegeplatz ihres Nachwuchses und weiß trotzdem genau, wann das Kalb wieder Milch braucht: Die Voraugendrüse der Hirschkälber signalisiert mit Duft, ob die Jungen hungrig oder satt sind. Wird der Magen des Hirschkalbes leer, öffnet sich der Grubenrand und der Duft dieser Drüse wird vom Wind zur Mutter getragen, ein Signal für Hunger.