Bemerkenswerte Rücktrittsserie in der ÖVP
Da waren es schon wieder drei: Auch 2012 wird für die ÖVP offenbar ein Jahr der Rücktritte.
Wien – Wer dachte, dass 2011 eine historische Ausnahme darstellt, sieht sich heuer eines Besseren belehrt. Nach dem Kärntner Landesrat Josef Martinz und dem Tiroler Finanzlandesrat Christian Switak hört nun auch der prominente ÖVP-Abgeordnete Ferdinand Maier auf. Was ihn von anderen Parteifreunden unterscheidet: Der Raiffeisen-Generalsekretär ist in keinen Skandal verwickelt, sondern hat einfach genug von der Partei, vor allem von seinem Klubchef.
Maier hatte sich vergangene Woche gegen jenes Budgetgesetz gesperrt, das für die kommenden Jahrzehnte Vorsorge für ÖBB-Bauprojekte im Umfang von mehr als 30 Milliarden traf. Maier votierte letztlich sogar gegen die Parteilinie im Nationalrat. Begründen durfte er sein Stimmverhalten im Plenum nicht, da ihm Klubobmann Karlheinz Kopf keinen Platz auf der Rednerliste gab.
Maier hält Kopf für „überfordert“. Immerhin hatte der Klubchef der früheren Frauenministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP) ebenfalls keine Redemöglichkeit eingeräumt, als diese eine Vertöchterung der Bundeshymne beantragte. Der Aufschrei danach führte letztlich dazu, dass die „großen Töchter“ es erst Recht in die Hymne schafften. Probleme könnte Kopf übrigens demnächst mit einem weiteren Mitglied seines Klubs bekommen. Wissenschaftssprecherin Katharina Cortolezis-Schlager schlug am Sonntag im „Kurier“ gegen Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) aus, nachdem sich dieser über sie beschwert haben soll. Grund: Cortolezis-Schlager hatte sich geärgert, über die Wahlrechtsreform-Pläne Kurz‘ erst aus den Medien erfahren zu haben.
„Sebastian Kurz spielt nach außen hin den Super-Demokraten, und nach innen ist er der Diktator, der Abgeordnete mundtot machen will“, ließ die Abgeordnete Dampf ab und drohte: „Ab jetzt zählt keine Parteidisziplin mehr, sondern nur mehr meine Wählerinnen und Wähler.“
Zurück zur Rücktrittswelle: Switak zog sich vor zwei Monaten zurück, nachdem Kritik wegen Jagdeinladungen und einer unverhältnismäßig günstigen Wohnungsmiete aufgekommen war. Martinz wiederum zog sich im Jänner zurück, da im Zuge der Hypo-Causa gegen ihn Anklage wegen Untreue erhoben wurde. Nur einen Teilrückzug gab es von der Abgeordneten Karin Hakl, nachdem bekannt geworden war, dass ihr Wahlkampf vom Telekom-Lobbyisten Peter Hochegger gesponsert worden sein soll. Sie legte bloß ihre Funktion als Telekommunikationssprecherin nieder.
Rücktrittsserie 2011 begonnen
Angefangen hatte die Rücktrittshäufung in der ÖVP freilich schon 2011. Den Auftakt machte Wehrsprecher Norbert Kapeller Mitte März, er war wegen Parkens mit einem Behindertenausweises eines Verstorbenen unter Druck geraten. Nur eine Woche später war Ernst Strasser an der Reihe: Der damalige Leiter der ÖVP-Delegation im EU-Parlament war britischen Enthüllungsjournalisten auf dem Leim gegangen, die ihm als Lobbyisten getarnt Geld für das Einbringen von Gesetzesvorschlägen anboten. Strasser zeigte sich interessiert.
Die ÖVP-Delegation im Europaparlament verlor kurz darauf ein weiteres Mitglied: Hella Ranner machte zuerst durch die Insolvenz ihres Unternehmens von sich reden und musste dann auf Druck der Partei zurücktreten. Die Steirerin soll zur Tilgung privater Schulden auch das Spesen-Pauschale für EU-Abgeordnete genutzt haben.
Bald danach erkrankte der damalige ÖVP-Chef Josef Pröll schwer, am 13. April legte der Vizekanzler alle politischen Ämter nieder. Seinem Rücktritt folgten weitere Personalwechsel im ÖVP-Team. Familienstaatssekretärin Verena Remler musste zurück nach Tirol. Generalsekretär Fritz Kaltenegger verabschiedete sich aus der Politik, und auch die vor allem in den letzten Wochen ihrer Amtszeit umstrittene Justizministerin Claudia Bandion-Ortner - zwar kein Parteimitglied, aber auf einem ÖVP-Ticket - wurde ausgewechselt.
Ebenfalls noch im April kostete dem burgenländischen Agrarlandesrat Werner Falb-Meixner ein Fehltritt als Bürgermeister den Job. Er hatte zwei Hauptschüler in der Gemeinde Zurndorf zum Schein angemeldet. Nachdem der Oberste Gerichtshof die Verurteilung des Landesgerichts bestätigt hatte, zog er die Konsequenzen und trat zurück.
Kurze Verschnaufpause für Neo-Parteichef Spindelegger
Dem inzwischen gekürten neuen Parteichef Michael Spindelegger war nur eine kurze Verschnaufpause gegönnt, denn dann wurden immer weitere Details aus der Telekom-Affäre bekannt und damit Verfehlungen aus der schwarz-blau/orangen Regierungszeit. In die Kritik geriet dabei Altkanzler Wolfgang Schüssel, der zwar nach seiner Wahlniederlage 2006 nicht mehr der Regierung, wohl aber dem Nationalrat angehörte. Um Druck von der Partei zu nehmen, wie er sagte, gab Schüssel im September seinen Abgang bekannt, wiewohl ihm keine persönlichen Verfehlungen vorgeworfen worden waren.
Nur wenige Tage später und nicht ganz überraschend nahm die als Wiener ÖVP-Chefin und Klubobfrau unglücklich agierende Christine Marek den Hut. Als Grund hierfür nannte sie interne Angriffe und mangelnde Unterstützung. Marek wechselte als Abgeordnete in den Nationalrat, wo sie den Sitz von Maria Rauch-Kallat übernahm, die nach Jahrzehnten in der Spitzenpolitik aus dieser mit dem Hymnen-Antrag freiwillig ausschied.
Ebenfalls auf Jahrzehnte im Dienst der ÖVP und Landespolitik zurückblicken konnte der Vorarlberger Herbert Sausgruber, als er im Oktober 2011 seinen Rückzug bekanntgab. Der zu diesem Zeitpunkt 65-Jährige begründete dies mit seiner mangelnden Leistungsfähigkeit - er könne nicht mehr als 50 Stunden die Woche arbeiten, für einen Landeshauptmann sei dies zu wenig, bedauerte er.
Im Monat darauf hieß es schon wieder „Time to say goodbye“ in den schwarzen Reihen: VP-Bauernbund Fritz Grillitsch legte im November seine Funktion als Bauernbund-Präsident sowie als Vizeklubchef der ÖVP im Parlament zurück. Dass er mit Aktionen wie der medial viel beachteten Veranstaltung mit dem umstrittenen Buchautor Thilo Sarrazin auch in der eigenen Partei irritierte, habe mit seinem Abschied aber nichts zu tun, betonte Grillitsch. Er führte gesundheitliche Gründe ins Treffen. (APA)