BAWAG-Prozess, Teil 2

Neuauflage nach fünf Jahren: Flöttl, Elsner & Co. wieder vor Gericht

Wo sind die Millionen? Seit heute geht es bei der Neuauflage des BAWAG-Prozesses wieder um verschwundene Karibik-Millionen, Untreue und die Schuldigen im größten Wirtschaftskrimi der zweiten Republik. Aufgrund von Formalfehlern der damaligen Richterin Claudia Bandion-Ortner wurden große Teile des erstinstanzlichen Urteils aufgehoben. Für die meisten Angeklagten heißt es zurück an den Start.

Wien - Die Mühlen der Justiz mahlen langsam: Bald fünf Jahre nach Beginn des ersten BAWAG-Strafprozesses im Juli 2007 wird ab heute im Wiener Straflandesgericht das Verfahren um die Spekulationsverluste der früheren Gewerkschaftsbank wiederholt. Das im Juli 2008 gesprochene erstinstanzliche Urteil von Richterin Claudia Bandion-Ortner war wegen formeller Mängel in großen Teilen vom Obersten Gerichtshof (OGH) aufgehoben worden.

Acht von neun Beschuldigten sitzen wieder auf der Anklagebank. Angeklagt sind der in New York lebende Investmentbanker Wolfgang Flöttl, Sohn des verstorbenen BAWAG-Generaldirektors Walter Flöttl. Wolfgang Flöttl soll BAWAG-Gelder in Milliardenhöhe verspekuliert haben. Weiters auf der Anklagebank sitzen die früheren BAWAG-Vorstände Peter Nakowitz, ehemals „rechte Hand“ von Ex-BAWAG-Chef Helmut Elsner, sowie die Bank-Vorstände Christian Büttner, Hubert Kreuch und Josef Schwarzecker. Auch Ex-BAWAG-Aufsichtsratspräsident Günter Weninger und Ex-BAWAG-Wirtschaftsprüfer Robert Reiter sind noch immer beschuldigt.

BAWAG will Elsners Pensionsabfindung zurück

Der Hauptangeklagte des ersten Prozesses, Ex-BAWAG-Chef Helmut Elsner, steht diesmal nur wegen einer Subsidiaranklage der BAWAG wieder vor Gericht. Er kann keine zusätzliche Haftstrafe bekommen, da er bereits zur Höchststrafe rechtskräftig verurteilt worden ist.

Die BAWAG will sich Elsners Pensionsabfindung zurückholen und erhofft sich von der Subsidiaranklage Unterstützung für ihr zivilrechtliches Anliegen. Elsner wird erst am vierten Prozesstag, dem 2. Mai, erstmals bei der Verhandlung dabei sein. Im ersten Verfahren war er zu zehn Jahren Haft verurteilt worden, von denen er viereinhalb Jahre abgesessen hat (unter Einberechnung der Untersuchungshaft). Aus gesundheitlichen Gründen ist der heute 76-Jährige im Juli 2011 für haftunfähig erklärt worden. Ein nächtlicher Tanz in der Wiener Eden Bar weckte aber Zweifel daran, eine Prüfung seiner Haftunfähigkeit läuft gerade.

Johann Zwettler, Elsners Nachfolger an der BAWAG-Spitze, ist als einziger der ursprünglich neun Angeklagten diesmal nicht mehr angeklagt. Er ist im ersten Verfahren bereits rechtskräftig zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Im Gefängnis saß er nicht, da er aus gesundheitlichen Gründen für haftunfähig erklärt worden ist. Für den 4. Mai ist er als Zeuge zum zweiten BAWAG-Prozess geladen.

Luftpausen“ und Alterserscheinungen

Richter Christian Böhm unterbrach die dreistündige Verhandlung am Mittwoch gleich zweimal für „Luftpausen“, weil im Saal 203 des Wiener Straflandesgerichts schlechtes Raumklima herrschte. Neben zwei Richtern, zwei Schöffen, zwei Ersatzschöffen, der Schriftführerin und der Staatsanwältin, sechs Angeklagten und ihren Anwälten sowie den Privatbeteiligtenvertretern auf den „offiziellen Plätzen“ waren auch die Zuschauerbänke mit rund 40 Medienvertretern und zahlreichen Gerichtskiebitzen voll gefüllt. Ein Ausweichen auf den Großen Schwurgerichtssaal, wo auch der erste BAWAG-Prozess stattfand, ist nicht möglich: Der Saal wird gerade renoviert.

Die Mühlen der Justiz mahlen im BAWAG-Verfahren langsam. Das Wiedersehen von Angeklagten, Anwälten und Journalisten, fast vier Jahre nach dem erstinstanzlichen Urteil, führte bei einigen Beteiligten zu uncharmanten Kommentaren am Rande des Verfahrens über die Spuren der verstrichenen Zeit: Es wurden mehr graue Haare gesichtet - und bei manchen deutlich weniger Haare. Auch mehr Brillenträger fanden sich ein.

Wo ist das verschwundene Geld?

Ermittelt wird zum Vorwurf der Untreue (Paragraf 153 StGB) bzw. Beihilfe: Die frühere Gewerkschaftsbank hatte Flöttl bzw. dessen Karibik-Firma Gelder überlassen, die dieser nach eigenen Angaben bei riskanten Finanzspekulationen verloren hat. Flöttl beteuerte im ersten BAWAG-Prozess, das Geld sei weg. Elsner wirft bis heute dem Sohn seines Vorgängers an der Bankspitze vor, er habe Geld unterschlagen und für sich behalten - ein Vorwurf, den Flöttl entschieden zurückweist. Das Ausmaß des Schadens, der durch die Untreue begangen wurde, ist vom Obersten Gerichtshof reduziert worden. Elsner war für einen Schaden von 1,2 Mrd. Euro bestraft worden. Ursprünglich war von einem Schaden von 1,72 Mrd. Euro ausgegangen worden.

Die BAWAG-Führung hatte versucht, die Verluste zu vertuschen. Als die Karibik-Spekulationen in Folge des Zusammenbruchs des US-Brokers Refco überhaupt erst bekanntwurden, führte dies letztlich zum Verkauf der Gewerkschaftsbank an den US-Hedgefonds Cerberus.

Anwalt: Flöttl hat kein Geld gestohlen

Die immer wieder erhobenen Vorwürfe gegen den früheren Investmentbanker Wolfgang Flöttl, dass er über eine Milliarde Euro von der BAWAG nicht bei riskanten Finanzgeschäften verloren habe, sondern zumindest zum Teil selber genommen habe, hat Flöttls Anwalt Herbert Eichenseder heute in seinem Plädoyer zu Beginn des zweiten Strafprozesses entschieden zurückgewiesen. Flöttl habe kein Geld gestohlen, und die Justiz habe das schon im ersten Verfahren genau geprüft, argumentierte Eichenseder.

„Das stimmt alles nicht“. Die immer wieder wiederholten Vorwürfe von Ex-BAWAG-Chef Helmut Elsner gegenüber Flöttl, die auch von Medien aufgegriffen würden, seien haltlos. Flöttl selber saß während des Plädoyers seines Anwalts ruhig im Gerichtssaal.

20 Verhandlungstage angesetzt

Ob auch das zweite Verfahren wieder zu einem Mega-Prozess wird, wird an der Verhandlungsführung von Richter Christian Böhm liegen. Er hat 20 Verhandlungstage angesetzt. Die Anklage vertritt Staatsanwältin Sonja Herbst, die schon im ersten Verfahren neben Staatsanwalt Georg Krakow tätig war.

Im ersten Verfahren hatte Richterin Bandion-Ortner erst am 117. Prozesstag das Urteil verkündet. Sie hatte von Mitte Juli 2007 bis Anfang Juli 2008 die Causa in vielen Facetten vor Gericht ausgebreitet. Zahlreiche prominente Zeugen wurden damals befragt, von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ), Milliardär Martin Schlaff bis zu den früheren ÖGB-Präsidenten Rudolf Hundstorfer und Fritz Verzetnitsch sowie dem Ex-BAWAG-Chef und nunmehriger Nationalbank-Präsident Ewald Nowotny. (tt.com/APA)