Ein Jahr nach Freispruch keine Rechtssicherheit für Tierschützer
Die Berufungsfrist für die Staatsanwaltschaft läuft noch bis Ende Juni. Mehrere Anzeigen in Zusammenhang mit dem Verfahren sind noch anhängig, weitere sind in Planung.
Wiener Neustadt – 14 Monate lang ist 13 Tierschützern am Landesgericht Wiener Neustadt wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation nach Paragraf 278a StGB der Prozess gemacht worden. Der Freispruch von allen Anklagepunkten jährt sich am 2. Mai zum ersten Mal, Rechtssicherheit ist für die Betroffenen aber noch nicht in Sicht.
Nachdem Einzelrichterin Sonja Arleth im Februar das Urteil schriftlich ausgefertigt hatte, läuft nun noch bis Ende Juni die (verlängerte) Berufungsfrist für die Staatsanwaltschaft. Diese soll auch ausgenützt werden, kündigte Behördensprecher Erich Habitzl an. Bis dahin bleibt also noch offen, ob die angekündigte Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld auch tatsächlich durchgeführt wird.
Aber auch abseits des eigentlichen Monsterprozesses beschäftigt das Thema nach wie vor die Justiz. Mehrere Anzeigen in Zusammenhang mit dem Verfahren und den Ermittlungen sind noch anhängig, weitere sind in Planung und sollen eingebracht werden, sobald das Urteil rechtskräftig geworden ist, erläuterte VgT-Obmann (Verein gegen Tierfabriken) Martin Balluch, der als Erstangeklagter vor Gericht stand.
Anzeige gegen Soko-Chefriege
Dem Landesgericht Wien liegen derzeit zwei Fortführungsanträge zur Entscheidung vor. In einem Fall geht es um die noch am Tag nach der Urteilsverkündung u.a. vom Grünen Justizsprecher Albert Steinhauser eingebrachte Anzeige gegen die Chefriege der Soko Bekleidung – den Leiter Erich Zwettler, den operativen Leiter Josef Böck und die beiden leitenden Beamten Bettina Bogner und Herbert Landauf.
Ihnen wird Amtsmissbrauch, Urkundenunterdrückung und Freiheitsentziehung vorgeworfen. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft stellte das Verfahren im vergangenen August ein, weil der „erforderliche wissentliche Befugnismissbrauch nicht nachgewiesen werden“ konnte, wie es hieß. Stefan Traxler, der Anwalt Balluchs und einiger weiterer Beschuldigter, stellte daraufhin einen Fortführungsantrag, über den noch nicht entschieden wurde.
Im zweiten Fall geht es um die Anzeige gegen den Sprachsachverständigen Wolfgang Schweiger, der den VgT-Obmann in einem – sehr umstrittenen – Gutachten schwer belastet hatte. Die Staatsanwaltschaft Wien stellte das Verfahren im Dezember 2011 ein, weil „kein Fälschungsvorsatz“ gegeben war. Auch hier gibt es einen Fortführungsantrag Traxlers.
Ebenfalls von den Grünen bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft angezeigt wurde Soko-Leiter Erich Zwettler wegen falscher Beweisaussage in Zusammenhang mit der lange verheimlichten verdeckten Ermittlerin „Danielle Durand“. Auch die Richterin hatte seine Aussagen in ihrer Urteilsbegründung als „schlichte Schutzbehauptungen“ bezeichnet. Das Verfahren wurde an die Staatsanwaltschaft Wien abgetreten. Dort hieß es, dass Vernehmungen schon stattgefunden hätten und die Erhebungen laufen würden.
Anzeige wegen übler Nachrede, Verleumdung und Amtsmissbrauch
Behandelt wird bei der Wiener Anklagebehörde auch eine Anzeige des VgT-Obmanns gegen „noch auszuforschende Beamte des BVT“ (Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung) wegen übler Nachrede, Verleumdung und Amtsmissbrauchs. Hintergrund: Im Verfassungsschutzbericht werde der VgT zwar nicht namentlich genannt, aber als „militante Tierschutzgruppe“ so beschrieben, dass dies nur auf den Verein zutreffe, so Ballluch – und laut dem Bericht stelle der VgT nach wie vor eine Gefahrenquelle für die Verfassung dar und sei militant.
Auch der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) bzw. die Datenschutzkommission sind Balluch zufolge mit einer im November 2010 eingebrachten Beschwerde befasst. Hierbei geht es um den – aus Sicht der Beschuldigten nicht rechtmäßigen – Einsatz der verdeckten Ermittlerin. Die Beschwerde wurde ursprünglich beim UVS eingebracht, der erst nach über einem Jahr entschied, dass er nicht zuständig sei, die Beschwerde daher zurückwies und das Schreiben Traxlers an die Datenschutzkommission weiterleitete, so der VgT-Obmann. Diese habe die Beschwerde als mangelhaft bezeichnet, weil sie nicht an die Datenschutzkommission gerichtet war, und wahrscheinlich als mittlerweile für verjährt erklärt. Endgültige Entscheidungen in der Angelegenheit stünden noch aus.
Anwälte wollen Entschädigung für Mandanten
Sollte der Freispruch rechtskräftig werden, wollen die Anwälte für ihre Mandanten Entschädigung für die erlittene U-Haft (etwa drei Monate, Anm.) und die vor Gericht verbrachte Zeit verlangen – „da die Angeklagten fast ein Jahr lang, bis gegen Ende des Prozesses, verpflichtet waren, während der Hauptverhandlung anwesend zu sein“, erklärte Traxler. Überlegt werde außerdem eine Amtshaftungsforderung bzw. -klage um Ersatz für die Kosten – etwa Verteidigung, finanzielle Einbußen durch Jobverlust und psychologische Behandlung – zu erwirken, die durch das Verfahren entstanden sind und nicht auf Basis der Haftentschädigung zugesprochen werden können – sofern dies überhaupt erfolgt. Der Anwalt gab sich kämpferisch: „Wenn wir in Österreich nicht recht bekommen, sind wir auch bereit, den Menschenrechtsgerichtshof anzurufen“.
Schadenersatz will Traxler auch vom linguistischen Gutachter, weil sich die Strafverfolgung der Tierschützer hauptsächlich auf dessen Aussagen gestützt habe. „Sollte eine außergerichtliche Einigung nicht möglich sein, werden wir klagen müssen“, kündigte der Advokat auch hier an. (APA)