Pechvogel und Glückskind
In dem Thriller „Zeit der Wut“ des Autorenduos De Cataldo und Rafele verkommt die Demokratie zur vagen Illusion.
Von Sabine Strobl
Innsbruck –Eigentlich hätte es ein Film werden sollen. Doch die Idee fand zu wenig Anhänger, und so beschlossen Giancarlo De Cataldo und Mimmo Rafele, das Drehbuch fallen zu lassen und einen Roman zu schreiben. Das heißt, einen Thriller über einen korrupten Polizeiapparat. Der römische Richter De Cataldo, der wie ein Mafiaboss aus dem Film zu posieren weiß, hat sich als Autor von Kriminalromanen über Italien hinaus einen Namen gemacht. Er ist Kolumnist und Herausgeber von Krimianthologien. Mit dem Drehbuchautor Mimmo Rafele hat er schon öfter zusammengearbeitet, aus der gemeinsamen Feder stammen Drehbücher zur TV-Serie „Allein gegen die Mafia“ und zum Film über den Mafiabekämpfer „Paolo Borsellino“. Nicht ganz gewöhnlich fiel ihre Zusammenarbeit beim gemeinsamen Thriller aus. Rafele hat das Gerüst gebaut. De Cataldo hat den Innenausbau gemacht und das Buch fertig geschrieben.
Gewalttätige und skrupellose Typen besetzen Polizeistuben und Sondereinheiten. Doch das Übel allen Übels ist die Gruppe um Mastino, Chef des Überfallkommandos: angefüttert mit Geld, Drogen, Sex und Crime, aufgehoben in hierarchischen Strukturen, geführt von einer charismatischen Person, gedeckt von der Politik. Die Gruppe, die für eine „saubere und demokratische“ Polizei eintritt, scheint in Zeiten wie diesen gegen Windmühlen zu kämpfen. Ein empfindlicher Rückschlag ist zudem der Mord am Chef der Kriminalpolizei: Alessio Dantini wird vor den Augen seines Sohnes am Spielplatz erschossen. Er war hinter der mordenden Einsatzgruppe her. Sein Freund und Vorgesetzter Lupo beginnt nachzuforschen und dockt bei zwei jungen Männern an, einem Glücks- und einem Pechvogel. Einer ist ein reicher Erbe, in anarchistischen Kreisen unterwegs, der beim Anschlag auf Dantini lebensgefährlich verletzt wird. Der andere ist ein ehemaliger Hooligan, der jetzt im Überfallkommando seine „Wut“ auf die Welt auslebt. Beide führen Lupo zum „Kommandanten“, einem ehemaligen Freund aus Geheimdiensttagen, der die Seite des Gesetzes gewechselt hat. Als Film wären die einzelnen Handlungs- und Beziehungsstränge nicht so einfach zusammenzuführen gewesen. Als Buch ergeben sie ein gefinkeltes Thrillerkonstrukt, das durch Insiderwissen punktet.
„Wie konnte es sein, dass Lupo die nutzlose Fahne der Demokratie hochhielt?“, fragt sich der „Kommandant“. Er muss es sich nicht lange fragen, gefährlich wird ihm der alte Polizeihase nicht. Ein Anruf von oben genügt. Und Wissen allein reicht auch Lupo nicht.
Giancarlo De Cataldo, Mimmo Rafele. Zeit der Wut. Übersetzung: Karin Fleischanderl. Folio Verlag. 244 Seiten, 22,90 Euro.