Der Meister der Korsage ist 60
Er gilt als „Enfant terrible“ der Modeszene. Der kegelförmige Büstenhalter, den Madonna auf der Bühne trug, verhalf ihm zu Weltruhm. Am vergangenen Dienstag feierte Jean Paul Gaultier seinen 60. Geburtstag. Für den französischen Designer kein Grund, in Pension zu gehen.
Korsagen, Popo-Dekolletés und Nippelblitzer: Entwerfen, um von der Welt geliebt zu werden, ist ein ungewöhnlicher Beweggrund für das Mitmischen auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten. Doch Jean Paul Gaultier passt in keine Schublade. „Darum werde ich geliebt“, sagte der blondierte Designer erst vor wenigen Wochen bestimmt. Das ehemalige „Enfant terrible“ der Modewelt wurde am 24. April 60 Jahre alt und steht auf dem Höhepunkt seiner Karriere.
Madonna lässt sich von ihm ihre Tournee-Outfits schneidern, Burlesque-Star Dita van Teese und die füllige Gossip-Sängerin Beth Ditto liefen für ihn über den Catwalk und auch Lady Gaga schätzt ihn. Was auf Gegenseitigkeit beruht, auch wenn der Schneidermeister findet, dass die exzentrische Sängerin keine Stilikone sei.
Gaultier hat den richtigen Beruf gewählt. Promis drängeln sich in seinen Modeschauen und trotz Krisenzeiten hält sich der Franzose gut im Geschäft. „Es gibt viele Häuser, die mit Couture Geld verlieren“, fügte der Designer in dem Interview mit der New York Times hinzu. Er verdiene zwar nichts, mache aber auch keine Verluste. Wichtig sei für ihn, dass er für Promis und alle, die sich seine Entwürfe leisten können, weiter schneidern kann. Und das sind noch recht viele.
In 36 Jahren hat er sich einen Platz im Olymp der Modedesigner gesichert. „Aufgehende Sonne“, „Schock“ oder „Pool Party“: Rätselhafte Namen, hinter denen sich Kreationen verstecken, die sich stets erneuern. Kein Kleid oder Rock gleicht dem anderen. Die Frau als schlangenähnliches Wesen im Jersey-Minirock mit Pythonschuppen oder im hautfarbenen Gaze-Body, seine fantastische Schnittkunst ist fast schon Kunst. Und das, obwohl er nie sein Handwerk in einem Modestudium erlernt hat.
Gaultier wuchs als Sohn eines Buchhalters und einer Kassierin in der Nähe von Paris auf. Er wusste schon früh, was er wollte. Als noch sehr junger Mann schickte er seine Skizzen berühmten Modeschöpfern zu. Pierre Cardin entdeckte sein Talent als Erster. Er engagierte ihn im Jahr 1970 als Assistent. Dann verlief alles wie in einem Märchen aus Tausendundeiner Nacht: Als 24-Jähriger stellte er seine eigene Linie vor und 1978, nur zwei Jahre später, gründete er sein nach ihm benanntes Modehaus. In den späten Siebzigern erregte Gaultier Aufsehen mit ausgefallenen Kreationen mit Einflüssen aus der Punkbewegung. In den 1980er-Jahren machten ihn seine Kollektionen berühmt, in denen er Unterwäsche als Oberwäsche kreierte, darunter extravagante Büstenhalter und Korsetts, die seitdem sein Markenzeichen sind. Die Sängerin Madonna engagierte ihn Anfang der 1990er-Jahre als Kostümbildner für ihre „Blond Ambition Tour“. Die rosa Korsage mit den spitzen BH-Körbchen haben Modegeschichte geschrieben.
Heute kreiert Gaultier Haute Couture für Männer und Frauen, von 2004 bis 2011 entwarf er die Damen-Linie für Hermes und im Parfumsegment brachte er einen Klassiker nach dem anderen auf den Markt.
Mit seinem Ringelpullover und seinen blondierten Haaren hat Gaultier alles erreicht, was man auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten erreichen kann. Seine Kreationen werden nicht nur getragen, sondern auch in Museen ausgestellt, wie derzeit in San Francisco im Young Museum und zuvor im kanadischen Montreal.
Sein neuester Coup: Gaultier ist einer der Stars, der neben Schauspielern wie Diane Kruger oder Ewan McGregor in der diesjährigen Jury bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes sitzen wird. Als Kostümdesigner für Filme wie „Kika“ oder „Das fünfte Element“ ist Gaultier mit dem Filmbusiness bestens vertraut. (dpa, APA, TT)